Buch&Bar 103: Matthias Debureaux „Die Kunst, andere mit seinen Reiseberichten zu langweilen“

Der Gentleman reist, genießt und schweigt

Heute: Über den Kampf um die Aufmerksamkeit beim Lesen und Trinken

Matthias Debureaux: "Die Kunst, andere mit seinen Reiseberichten zu langweilen". Übersetzung: Patricia Klobusiczky. Nagen & Kimche. 12 Euro

Es gibt Künste, die jeder  beherrscht. Wirklich jeder, ganz instinktiv. So zum Beispiel „Die Kunst, andere mit seinen Reiseberichten zu langweilen“. Der französische Journalist Matthias Debureaux hat jetzt trotzdem ein gleichnamiges Lehrbuch geschrieben (Nagel & Kimche, 12 Euro).

Warum hat er das getan? Ich habe keinen blassen Schimmer. Vielleicht war er scharf auf die zwölf Euro. Das Buch besteht aus 109 Seiten. Das ist fürchterlich lang, wenn man bedenkt, dass ein durchschnittlich begabtes Versuchsäffchen spätestens nach acht dieser Seiten begriffen hat, nach welchen immergleichen Muster der Text gestrickt ist: Debureaux hangelt sich von einem Ratschlag zu anderen, wie man möglichst klischeehaft, öde, selbstgefällig, und witzlos erzählt. Offenbar hält er das für komisch. Mir kam es ab der neunten Seite klischeehaft, öde, selbstgefällig und witzlos vor.

Mit Rücksicht auf meine zunehmende Schläfrigkeit habe ich beim Lesen vorsichtshalber auf jede Form von Alkohol verzichtet. Lieber griff ich zu dem Kinder-Klassiker Roy Rogers: Cola und Grenadin-Sirup im Verhältnis von 10:1, dazu einen Zitronen-Spalt und eine Maraschino-Kirsche. Mein Puls begann nicht gerade zu rasen, aber, immerhin, ich blieb wach. Danach habe ich nochmal das Gleiche gemixt, diesmal mit einem guten Schuss Rum. Als Trost. Nennt sich Rum’n’Roy. Ich hatte es nötig.

 

2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.

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Buch&Bar 102: Umberto Eco “Pape Satàn”

Der Bär, der keine Handys mochte

Heute: Über herrliche Brummigkeiten bei Lesen und Trinken

Umberto Eco: "Papa Satàn". Chroniken einer flüssigen Gesellschaft oder Die Kunst, die Welt zu verstehen Übersetzung: Burkhard Kroeber. Hanser Verlag. 20 Euro

Umberto Eco war ein Schriftsteller und Professor von bärenhafter Gestalt. Doch manchmal verließ ihn seine bärenhafte Gutmütigkeit und er wurde brummig. Zum Beispiel als ihn Zuhörer bei einem Vortrag immerzu mit ihren Handy-Blitzlichtern blendeten. Sie sollten, sagte er, lieber zuhören, statt Bilder zu machen. Ihn permanent zu fotografieren wäre nur gerechtfertigt, wenn er nicht als Professor arbeitete, sondern als Stripper.

Einige seiner unzeitgemäßen Brummigkeiten hat er noch vor seinem Tod 2016 zusammengefasst in dem Band „Pape Satàn“ (Hanser, 20 Euro). Er habe, schreibt Eco, seinen Fotoapparat schon als junger Mann weggeschmissen, als er von einer Reise haufenweise Fotos mitbrachte, aber sich nicht mehr erinnern konnte, was er tatsächlich erlebt hatte. Die Unfähigkeit vieler Leute, den Blick wenigstens auf offener Straße mal vom Handy zu lösen, nennt er den „Wahnsinn“ einer Menschheit, die „nicht mehr die Umgebung betrachtet, nicht mehr über Leben und Tod nachdenkt, sondern wie besessen redet und redet, fast immer ohne etwas zu sagen“.

Ich weiß nicht, was Eco trank, wenn er mal in einer Bar saß und redete und redete. Nach einem guten Essen beim Italiener servierte man mir einen Grappa Orso Bruno. Orso heißt auf Italienisch Bär. Tatsächlich war der Drink bärenstark und höllisch gut und die Flasche so verbogen, als hätte ein Bär sie zu öffnen versucht.

 

2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.

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F.W.Bernstein alias Fritz Weigle zum Geburtstag

Der allerschärfste Kritiker der Elche

Um ein Haar hätte ich es verpasst. Aber F.W. Bernstein feiert heute Geburtstag, und zwar den 79. Eine gute Gelegenheit den Grandseigneur des Grotesken nach besten Kräften zu feiern. Hier meine Verbeugung vor dem Nonsens-Lyriker und Absurditäts-Dramatiker und Bildergeschichten-Zeichner und Gentleman und großartigen Künstler im komischen Fach:

Seine taufrischen Gedichte, gerade eben erst erschienen: F.W.Bernstein "Frische Gedichte" Kunstmnann Verlag. 18 Euro

Es gibt nur wenige, aber Fritz Weigle, genannt F.W. Bernstein, ist einer davon, einer von jenen freien Geistern, die soviel Talent, Verstand und Glück haben, dass sie sich nie in irgendein Schema fügen müssen und allen Zwängen die Zunge rausstrecken können. Der Zeichner, Karikaturist, Cartoonist, Dichter, Dramatiker Bernstein gehört zu den fabelhaft Vielfachbegabten der inzwischen legendären Neuen Frankfurter Schule.

Er hat einen entscheidenden Teil seiner Biografie im tänzelnden Gleichschritt mit Robert Gernhardt verbracht. Geboren in Göppingen, traf er Gernhardt 1956, studierte mit ihm in Stuttgart und Berlin, wurde im Doppelpack mit ihm 1964 als Redakteur für das Satiremagazin “Pardon” engagiert, veröffentlichte mit ihm den Lyrikband “Besternte Ernte” und dazu noch mit Gernhardt und F.K. Waechter die ebenso hochkomische wie fiktive Biografie “Die Wahrheit über Arnold Hau”.

Neben seiner künstlerischen Karriere verfolgte Bernstein, anders als das übrige Neue Frankfurter Schulpersonal, auch eine bürgerliche Laufbahn. Er begann Mitte der Sechzigerjahre als Kunsterzieher, schrieb über seine einschlägigen Erfahrungen “Die Lehrprobe”, einen satirischen “Report aus dem Klassenzimmer”, wechselte dann an die Pädagogische Hochschule in Göttingen, bevor er 1984 die deutschlandweit einzige Professur für Karikatur und Bildergeschichte an der Kunsthochschule in Berlin übernahm.

F.W.Bernstein / Robert Gernhardt: "Besternte Ernte". Fischer Taschenbuch Verlag. 7,95 Euro

Aber auch den Zwängen einer solchen akademischen Existenz entzog er sich schließlich wieder und gab sein Amt 1999 auf. Als Praktiker und Pädagoge eines Zeichnens, das auf die Lachlust zielt, ist es ihm gelungen, die Grundlagen dieser Kunst auf das nach ihm benannte Bernsteinsche “Gesetz von den drei großen G der Karikatur” zu bringen: “Gritik, Gomik und Graphik”. Entgangen ist ihm dabei allerdings ein vierter entscheidender G-Faktor, nämlich: Graft. Bernstein ist mit Stift, Kreide, Pinsel unermüdlich, arbeitet buchstäblich pausenlos, und hat allein oder in Zusammenarbeit mit anderen eine schier unübersehbare Zahl von Büchern herausgegeben oder illustriert. Vor allem “Bernsteins Buch der Zeichnerei”, ein, wie es im Untertitel heißt, “Lehr-, Lust-, Sach-, und Fach-Buch sondergleichen”, ist eine so umfassende wie inspirierende Einführung in die Geheimnisse der Karikatur.

Als Dichter ist Bernstein ein Meister der Nonsens-Lyrik. “Horch – ein Schrank geht durch die Nacht, / voll mit nassen Hemden … / den hab ich mir ausgedacht, um euch zu befremden.” Er ist ein Sprachjongleur, der die formalen Ansprüche der Gattung leichthändig erfüllt, auf deren hartnäckige Tendenz zur Sinnstiftung aber allemal mit der Freude an der Unsinnstiftung antwortet. “Erwin aus der Unterschicht / liebt die Oberklasse nicht. / Doch vom Chef die Tochter / sah er gern und mocht er.”

F.W.Bernstein: "Der Untergang Göttingens und andere Kunststücke in Wrt & Bld". Herausgegeben von Peter Köhler. Salzwerk Verlag. 15 Euro

Seinem poetischen Genie verdankt die Neue Frankfurter Schule nicht zuletzt ihren heute wohl bekanntesten und geflügeltsten Zweizeiler: “Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche.”

Eine ganz eigene, schwer vergleichbare Form der Komik hat Bernstein mit seinen kurzen “Dramen in unordentlichem Zustand” für sich erobert. Sie versetzen den Leser in eine aberwitzige Welt, die irgendwo zwischen den literarischen Ländereien von Karl Valentin und Alfred Jarry angesiedelt ist. Ob da ein Städter mit Sehnsucht nach dem Landleben vor einem strengen bäurischen Prüfer eine Dialektprüfung ablegen muss, ob ein Starpianist namens Franz Liszt sich von einem Reporter nach seinen Geliebten befragen lassen muss oder ob ein Ministerialdirektor fröhlich die komplette Vernichtung Göttingens organisiert – die Stücke sind allesamt von betörend verwirrendem Witz.

Zum Ungewöhnlichen des Künstlers F.W. Bernstein gehört, dass er nicht nur von den Zwängen der literarischen Sinnstiftung oder des bürgerlichen Karriere-Ehrgeizes frei zu sein scheint, sondern auch von jenem Drang zum Ruhm, der so viele Künstler lebenslang quält. Anstatt von Kollegen, Kritikern oder Publikum mit der Besessenheit des Egozentrikers Anerkennung einzufordern, ist ihm die so menschenfreundliche Fähigkeit zur Bewunderung gegeben. Fast nie spricht er von der eigenen Arbeit, umso häufiger stimmt er Hymnen der Begeisterung und des Lobes auf andere an. Er ist ein Gentleman des Gags, ein Grandseigneur des Grotesken, der nichts so sehr genießt wie “die Lust, sich über die Wirklichkeit lustig zu machen.”

W.P. Fahrenberg (Hrsg.): "Meister der komischen Kunst: F.W.Bernstein". Kunstmann Verlag. 16 Euro

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Buch&Bar 101: Andrea Diener “Ab vom Schuss”

Irgendwo im nirgendwo der mongolischen Steppe

Heute: Über das Ende der Landlust beim Lesen und Trinken

Andrea Diener: "Ab vom Schuss". Reisen in die internationale Provinz. Rowohlt Verlag. 14,99 Euro

Manche Menschen mögen keine Städte. Sie leben gern zwischen Feld, Wald und Wiese. Schön. Andere Menschen sehen das anders, Karl Marx zum Beispiel sprach vom „Idiotismus des Landlebens“. Als Kind der Südeifel im frühen 19. Jahrhundert wusste er verdammt genau, wovon er da sprach. Aber das ist lange her, und wer glaubt heute noch an Karl Marx? Nicht mal Sahra Wagenknecht.

Andrea Diener hat sich in einigen echt öden Weltwinkeln rumgetrieben für ihr Buch „Ab vom Schuss“ (Rowohlt, 14,99 Euro). Ihr Resümee lautet bündig: „Provinz ist da, wo Landlust aufhört.“ Sie ist eine Frau mit Witz und Stil und Verstand. Selbst den verstaubtesten Gegenden kann sie wahlweise ein wenig Charme oder zumindest eine Pointe abgewinnen. Sie spielte Minigolf im Westharz. Besuchte einen Vergnügungspark in der chinesischen Kleinstadt Kaifeng. War zu Gast in einer insolventen Glasbläserei in Slowenien. Streifte durch ein russisches Museum irgendwo in der mongolischen Steppe. Kurz, sie schreckte vor nichts zurück. Aber sie lebt in Frankfurt, umgeben von Hochhäusern.

Voller Bewunderung hebe ich mein Glas auf Frau Diener und ihren Mut. Sicherheitshalber habe ich das Glas zuvor füllen lassen mit einem Cosmopolitan-Cocktail: 3 cl Wodka Zitrone, 1 cl Cointreau, 4 cl Cranberrysaft, 1 cl Limettensaft. Das ist der favorisierte Drink aus „Sex and the City“. Betonung liegt eindeutig auf „City“.

 

2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.

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Buch&Bar 100 (Jubiläum): Charles Foster “Der Geschmack von Laub und Erde”

Ich wollt, ich wär kein Huhn

Heute: Über tierische Wünsche beim Lesen und Trinken

Charles Foster: "Der Geschmack von Laub und Erde". Wie ich versuchte, als Tier zu leben. Übersetzung: Robert A. Weiß. Malik Verlag, 20 Euro

Wären Sie gern mal ein Tier? Nur für ein paar Tage, so zur Probe? Wenn ja, was für eines? Huhn? Nashorn? Froschkönig? Hängebauchschwein?

Günter Grass sagte mir mal, er glaube nicht an Seelenwanderung, aber falls es sie doch gebe, würde er gern als Kuckuck wiedergeboren werden. Denn der Kuckuck verkünde den Menschen alljährlich „Frühling-wird’s-bald“ und überließe die Aufzucht seines Nachwuchses anderen. Beides fand er klasse.

Von fünf Versuchen als Tier zu leben, berichtet der Brite Charles Foster in seinem witzig-klugen Buch „Der Geschmack von Laub und Erde“ (Malik, 20 Euro). Er grub sich mit der Nase in die Erde wie ein Dachs, schlief in Abflussrohren wie moderne Otter, jagte Mäuse wie ein Fuchs, ließ sich von Bluthunden hetzen wie ein Rothirsch und schnappte mit dem Mund nach Insekten wie ein Mauersegler. Das ist, zugegeben, reichlich skurril. Aber man lernt dabei fabelhaft viel übers Tiersein. Und noch mehr übers Menschsein.

Ich würde gern Mensch bleiben. Selbst das Daseins als Hauskatze – schlafen, fressen, schlafen – reizt mich nicht. Allenfalls das Gestreicheltwerden wäre verlockend. Ersatzweise begnüge ich mich lieber mit einem Cocktail Yellow Cat: Jeweils 2 cl Malibu Kokosnuss-Rum-Likör und trockenen Wermut, gemixt mit 3 cl Orangensaft und Eis. Dann je nach Geschmack auffüllen mit eiskaltem Champagner. Das schlürfe ich, wenn’s sein muss, auch aus einer Vogeltränke.

 

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Buch&Bar 99: Jakob Arjouni “Happy Birthday Türke”

Jetzt können nur noch Krimis die Welt retten

Heute: Über die ganz, ganz harten Fakten bei Lesen und Trinken

Jakob Arjouni: "Happy Birthday, Türke". Illustrationen: Philip Waechter. Edition Büchergilde. 25 Euro

Wir alle, liebe Leute, wir alle müssen! jetzt!! mehr Krimis!!! lesen!!!! Denn: Der Krimi ist der Roman der Aufklärung. Sein Held, der Detektiv, will die Wahrheit wissen. Nichts als die Wahrheit. Er unterscheidet millimetergenau zwischen News und Fake-News, zwischen Fakten und postfaktischem Gewäsch. Der Detektiv ist die perfekte Gegenfigur zu den Politikern, die heute eigenhändig selbstgeschürte Emotionen gegen hart recherchierte Fakten ausspielen.

Besten Krimi-Lesestoff bieten zum Beispiel der Klassiker „Happy Birthday, Türke“ von Jakob Arjouni, der jetzt mit Illustrationen von Philip Waechter als fabelhaft schöner Band erscheint (Büchergilde, 25 Euro). Der Frankfurter Detektiv Kemal Kayankaya, Sohn türkischer Eltern, ist den größten Teil des Tages ein Kotzbrocken. Er grüßt nicht, dankt nicht, bittet nicht um Entschuldigung, obwohl er oft eine Menge Grund dazu hätte, und bricht anderen auch ohne Not gern mal die Nase. Aber wenn es um die Wahrheit geht, beißt er sich fest wie eine Bulldogge, unbeirrbar, unerschrocken, unermüdlich, bis er seinen Täter hat.

Kayankaya ist kein Mann für elegante Bars, er ist ein Kerl für den Kiosk. Er trinkt Bier zum Frühstück, manchmal auch: statt Frühstück. Und tagsüber dann alles, was er kriegen kann: Wodka, Whisky, Weinbrand, egal. Am liebsten Scotch. Der härteste Scotch ist nach einer Begegnung mit Kayankaya gerade eben hart genug: Die härtesten kommen traditionell von der Westküste Schottlands, Bruichladdich – Octomore 4.2 Comus zum Beispiel mit 61 %vol. So stark und rauchig wie ein Großbrand.

 

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Buch&Bar 98: David Foster Wallace “Der große rote Sohn”

Der Rebell zwischen lauter Lustgeschrei

Heute: Über den  Kampf gegen Klischees beim Lesen und Trinken

David Foster Wallace: "Der große rote Sohn". Übersetzung: Ulrich Blumenbach. Verlag Kiepenheuer & Witsch. 7,99 Euro

Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, darf man als Besucher einer Sex-Messe erwarten, mit bedenklichen Obsessionen konfrontiert und um den Inhalt seiner Brieftasche erleichtert zu werden. So weit, so gut und alles im grünen Bereich. Dort aber Zeuge ernster Selbstprüfung eines der Nacktkörper-Vermarkter zu werden, damit ist nicht unbedingt zu rechnen.

1998 besuchte der Schriftsteller David Foster Wallace eine Sex-Messe samt Pornofilm-Preisverleihung. Und schrieb darüber die scharfsinnige und witzige und 100 Seiten lange Reportage „Der große rote Sohn“ (Kiepenheuer & Witsch, 7,99 Euro). Die Sexindustrie liebt es, stellt er fest, gewissenhaft all die Klischees zu erfüllen, die über sie im Umlauf sind. Sie ist vulgär, geldgierig, brutal, rücksichtslos. Bis Wallace einen komplett scharlachrot gekleideten Porno-Filmemacher trifft, der sich nach der guten alten Zeit sehnt, als sein Gewerbe noch verrucht und fast verboten war: „Irgendwie ist es schon langweilig geworden. Heute schaut das jeder. Früher waren wir Rebellen. Heute sind wie Scheißgeschäftsleute.“

Überraschend, nicht war? Ein Moment melancholischer Lebensbilanz inmitten von routiniertem Lustgeschrei. Manchmal ist die Welt doch anders als die Klischees. Aber leider nur manchmal. In einem kreuzbraven Restaurant ließ ich mir mal den angeblich aufregenden Aperitif „Porn Star Martini“ servieren: Vanilla Vodka, Passionsfrucht-Likör, -püree und -saft sowie Vanillezucker. Dazu in einem Extraglas: Prosecco. Klingt nach einer Menge Passion. Schmeckte aber kreuzbrav süßlich.

 

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Buch&Bar 97: Stephen Hawking “Haben Schwarze Löcher keine Haare?”

Die Frisuren der Sterne, oder:
Die neuesten Öfen im Universum

Heute: Heute über Trost für die Seele beim Lesen und Trinken

Stephen Hawking: "Haben Schwarze Löcher keine Haare?" Zwei Vorträge. Übersetzung: Heiner Kober. Rowohlt Verlag. 10 Euro

Zu den ältesten aller Fragen gehört die nach der Entstehung der Welt. Wie hat das alles angefangen? Wie wird es weitergehen? Aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, wir haben keinen blassen Schimmer. Die Bibel erzählt die Sache anderes als das I Ging aus China oder der babylonische Codex Hammurapi. Also wurden zu allen Zeiten die weisesten der Weisen gebeten, uns all das zu erklären.

Zurzeit hat der Physiker Stephen Hawking diesen Job. Er ist so etwas wie der Gandalf unserer Epoche. Und er macht es großartig. In seinem neuen kleinen Buch „Haben Schwarze Löchern keine Haare?“ (Rowohlt, 10 Euro) erzählt er wieder von Quantenmechanik, Gravitationskollaps, virtuellen Teilchen und Supertranslation. Kurz gesagt: großes Kino! Offenbar hat sich, falls ich alles richtig verstanden habe, der aktuelle Stand der Dinge in Sachen Schwarze Löcher geändert: Sie sind jetzt doch keine alles verschlingende Monster, denen nichts entgeht, sondern die strahlen Hitze ab wie ein Ofen.

Leider ist es trotzdem nicht mollig warm im All. Glücklicherweise kann man der Kälte in unserem winzigen Eckchen des Alls abhelfen, zum Beispiel mit einem heißen Drink. Angesichts des trüben Winterwetters und der ungeklärten kosmologischen Fragen schlage ich den Cocktail Seelentröster vor: 2 cl Cognac, 2 cl Rum, einen Löffel Honig und eine Tasse Milch unter ständigem Rühren erhitzen, nicht kochen! Und dann im Grogglas servieren.

 

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Buch&Bar 96: Thomas Bernhard “Städtebeschimpfungen”

Der Virtuose des Wutausbruchs

Heute über: Die Lust am Zorn beim Lesen und Trinken

Thomas Bernhard: "Städtebeschimpfungen". Düsseldorf oder München oder Hamburg: lauter Provinzen. Herausgegeben von Raimund Fellinger. Suhrkamp Verlag. 9 Euro

Thomas Bernhards Talent für Beleidigungen und Verunglimpfungen aller Art ist legendär. Er war ein Hochleistungs-Hasser, ein wahrer Champion des Hate-Speech. Raimund Fellinger hat jetzt eine exzellente Kollektion seiner „Städtebeschimpfungen“ zusammengestellt (Suhrkamp, 9 Euro).

Lüttich war in Bernhards Augen „hässlich“, Lübeck „grauenhaft“, Freiburg „entsetzlich“, Chur „trübsinnig“.

Bremen „verabscheute“ er, und „zwar vom ersten Moment an“.

Oslo nannte er „nervenzerstörend“, Montreux ein „kaltes Loch“, Stockholm „öde“ und Neapel „allertiefste Provinz“.

Von Passau hielt er gar nichts: „Vor Hilflosigkeit und Hässlichkeit und widerwärtiger Plumpheit strotzend“.

Regensburg war für ihn „kalt und abstoßend“. Salzburg „kunst- und geistfeindlich“. Wien ein „Friedhof“. Augsburg eine einzige „Lechkloake“.

Ja, selbst Paris fand er „abscheulich“: eine „verstaubte Wüste“.

Lustig, nicht wahr? Wer je Louis de Funès sah oder Giovanni Trapattonis „Ich habe fertig“-Rede hörte, weiß, wie komisch rasende, permanente, überschäumende Wut sein kann. Lässt sich all der politische Hass, von dem derzeit so viel die Rede ist, vielleicht einfach bei einem guten Cocktail niederlachen und kaputtkichern? Ich würde dazu einen Laughing Buddha empfehlen: 6 cl Wodka Citron, 3 cl Limettensaft, 3 cl Ingwerbier, drei Ingwerscheiben und etwas Serrano-Pfeffer. Scharf macht lustig.

 

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Buch&Bar 95: Fjordor M. Dostojewski “Der Spieler”

Auch Genies sind manchmal saublöd

Heute über: Weise und weiße Russen beim Lesen und Trinken

Fjodor M. Dostojewski: "Der Spieler oder Roulettenburg". Neu übersetzt, kommentiert und mit einem Nachwort von Alexander Nitzberg. dtv. 22 Euro

AfD-Vize Alexander Gauland pflegt sein Image als Literaturliebhaber wie ein Eintänzer seine Schmalzlocke. Wer wissen möchte, weshalb er Fjodor M. Dostojewski so klasse findet, sollte „Der Spieler“ (dtv, 22 Euro) lesen. Es ist Dostojewskis kürzester Roman, gerade mal 200 Seiten lang. Liest man an einem Wochenende weg. Alexander Nitzberg hat ihn jetzt neu übersetzt in einen fabelhaft raubauzigen, barschen Ton.

Der Held der Geschichte Alexej Iwanowitsch ist ein dröhnend lauter Nationalist und Antisemit. Er ist als Hauslehrer im Gefolge eines russischen Generals in ein deutsches Kurstädtchen gereist und hasst alle Menschen, die keine Russen sind: Die Franzosen beschimpft er als aalglatte Scharlatane, außen elegant und innen hohl. Die Deutschen als geldgeil wie die Juden. Die Polen als Diebe und Heuchler. Nur manche Engländer mag er.

Kein Wunder, wenn so was einem Politiker wie Gauland einleuchtet, der die Menschen gern streng nach Ländergrenzen (Migranten), Religion (Islam) oder Hautfarbe (Boateng) sortiert, bzw. aussortiert. Natürlich war Dostojewski nicht mit all dem Mist einverstanden, den er seiner Figur in den Mund legte. Aber der schwachsinnig nationalistischen Überzeugung, dass es allein das russische Wesen sei, an dem die Welt genesen werde, war er schon.

Die traurige Wahrheit ist: Auch geniale Autoren wie Dostojewski verbreiten gelegentlich die dümmlichsten Thesen. Angesichts dieser ernüchternden Einsicht hatte ich ein wenig Trost nötig. Ich fand ihn einem Cocktail White Russian: 3 cl Wodka, 3 cl Kahlua, 5 cl Sahne und Eis.

 

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