Auch Genies sind manchmal saublöd
Heute über: Weise und weiße Russen beim Lesen und Trinken
AfD-Vize Alexander Gauland pflegt sein Image als Literaturliebhaber wie ein Eintänzer seine Schmalzlocke. Wer wissen möchte, weshalb er Fjodor M. Dostojewski so klasse findet, sollte „Der Spieler“ (dtv, 22 Euro) lesen. Es ist Dostojewskis kürzester Roman, gerade mal 200 Seiten lang. Liest man an einem Wochenende weg. Alexander Nitzberg hat ihn jetzt neu übersetzt in einen fabelhaft raubauzigen, barschen Ton.
Der Held der Geschichte Alexej Iwanowitsch ist ein dröhnend lauter Nationalist und Antisemit. Er ist als Hauslehrer im Gefolge eines russischen Generals in ein deutsches Kurstädtchen gereist und hasst alle Menschen, die keine Russen sind: Die Franzosen beschimpft er als aalglatte Scharlatane, außen elegant und innen hohl. Die Deutschen als geldgeil wie die Juden. Die Polen als Diebe und Heuchler. Nur manche Engländer mag er.
Kein Wunder, wenn so was einem Politiker wie Gauland einleuchtet, der die Menschen gern streng nach Ländergrenzen (Migranten), Religion (Islam) oder Hautfarbe (Boateng) sortiert, bzw. aussortiert. Natürlich war Dostojewski nicht mit all dem Mist einverstanden, den er seiner Figur in den Mund legte. Aber der schwachsinnig nationalistischen Überzeugung, dass es allein das russische Wesen sei, an dem die Welt genesen werde, war er schon.
Die traurige Wahrheit ist: Auch geniale Autoren wie Dostojewski verbreiten gelegentlich die dümmlichsten Thesen. Angesichts dieser ernüchternden Einsicht hatte ich ein wenig Trost nötig. Ich fand ihn einem Cocktail White Russian: 3 cl Wodka, 3 cl Kahlua, 5 cl Sahne und Eis.
2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.