Daniel Kehlmann “Requiem für einen Hund”

Kehlmann und Komik

Heute feiert Daniel Kehlmann Geburtstag. Für mich zählt er zu den wichtigsten und reifsten Schriftstellern deutscher Sprache und wird doch erst 39 Jahre alt. Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Zu diesem Anlass eine kurze Überlegung von mir zu dem leider wenig beachteten Gesprächs-Band, den Kehlmann und Sebastian Kleinschmidt 2008 veröffentlichten, in dem es um Götter und Genies, Zählen und Erzählen, Tod und Ruhm geht – aber vor allem auch um Komik

Das Buch erschien (ursprünglich im Verlag Matthes & Seitz) unter dem Titel „Requiem für einen Hund“, denn Kehlmanns Hund Nutschki begleitete die Gespräche schweigend und starb kurz darauf. Kehlmann und Kleinschmidt widmeten ihm daraufhin das Bändchen.

Daniel Kehlmann und Sebastian Kleinschmidt: “Requiem für einen Hund”. Rowohlt E-Book Verlag, 7,99 Euro

Die beiden treiben hier nicht das übliche Frage-Antwort-Spiel des Interviews. Sie lassen sich auf einen konzentrierten Dialog über literaturtheoretische Fragen ein. Wieder einmal zeigt sich, dass Kehlmann nicht nur kluge Romane zu schreiben versteht, sondern auch Kluges über die Kunst des Romans zu sagen hat. Meist werden sich Kleinschmidt und er schnell einig. Doch in einem, wie ich finde, aufschlussreichen Punkt bleiben mehr Fragen offen, als Antworten gefunden werden.

Kehlmann hat oft beschrieben, wie glücklich er war, als es ihm in Ich und Kaminski (2003) erstmals gelang, seinen Romanen ein dezidiert komisches Element hinzuzufügen. Da er mit diesem Buch dann bei Kritikern wie Lesern auch seinen ersten großen Erfolg erzielte, ist der Verdacht vielleicht nicht ganz aus der Luft gegriffen, dass gerade dieser Sinn für Komik seine Arbeit auf ein neues literarisches Niveau hob. Kein Zufall also, dass Kleinschmidt und Kehlmann in ihrem Gespräch lange um eine Definition des, wie sie sagen, „Humors“ ringen – obwohl Humor wohl eher die Gabe eines Menschen bezeichnet, Komisches zu genießen, nicht aber das Talent, Komik zu erzeugen.

Lehrreich scheint mir, dass Kleinschmidt versucht, zwischen guter und schlechter Komik zu unterscheiden, dass er mit einem ethischen Argument in eine ästhetische Diskussion eingreift: „Entscheidend ist, das der Humor seinen Vorteil nicht auf Kosten seines Gegenstandes oder seines Gegenübers erringt.“ Er wirbt mit Fontane für die „verklärenden Macht des Humors“.

Kehlmann dagegen verteidigt den „eisigen Sarkasmus“, den „eisigen Humor“. Tatsächlich juckt es einen als Leser ja wenig, wenn in einem Roman Pointen auf Kosten einer naturgemäß fiktiven Romanfigur gemacht werden. Wichtig ist nur, ob die Pointe schlagartig etwas über die Figur klar macht – und sie eben nicht verklärt. Ein kleiner Dialog nur, aber er verrät doch viel über die tief sitzende Bereitschaft hierzulande, die Literatur zuallererst unter moralischen, statt unter ästhetischen Gesichtpunkten zu betrachten.

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