Der Büchersäufer stellt hier Bücher vor, die er mit Genuss bis zur Neige geleert, oder an denen er lieber nur kurz genippt hat.
Heute geht es um das Befinden der deutsche Sprache und die Freude, wenn zwei Worte sich ganz besonders lieb haben und ganz, ganz dicht aneinanderrücken
Von Nacktnasen im Knuffelkontakt
Vor zwei Jahren hätte ich noch keinen Schimmer gehabt, was das Wort Brückenlockdown bedeuten soll. Oder das Wort Balkonklatscher. Oder Bundesnotbremse. Heute werfe ich mit diesen Begriffen um mich wie ein Karnevalsprinz mit Bonbons.
Seltsam: Sobald vom Zustand der deutschen Sprache die Rede ist, wird immer nur genörgelt und gemeckert. So als pfiffe sie auf dem letzten Loch. Niemand lobt sie mal. Niemand spricht von ihren unglaublichen Fähigkeiten. In Wahrheit ist die deutsche Sprache nämlich sehr gut in Form. Sie ist auf gut Deutsch: topfit
In der kurzen Zeit, seit es Corona gibt, hat sie ein ganzes Arsenal neuer Begriffe entwickelt. Wir laden heute zur Abstandsparty ein, begrüßen Freunde mit Fußgruß, trinken mit ihnen ein Distanzbier, reden über den Impfturbo und tragen dabei unsere Kinnwindel. Klar, wir sind pandemüde, bleiben aber weiterhin bemaskt, weil wir nicht rumaerosolen und superspreadern wollen, denn sonst wird wieder geshutdownt.
Ich liebe das. Ich bewundere das Deutsche für die Gabe, zwei alte Worte zusammenzubacken, um damit etwas Neues präzise auf eine Formel zu bringen – wie Niesscham zum Beispiel oder Lockerungsdrängler. Und ist es nicht fabelhaft, wie selbstbewusst sich das Deutsche englische Vokabeln grammatikalisch zurechtkaut, wenn es zum Beispiel darum geht, ob gezoomt oder gar geboostert werden soll?
Andererseits gibt es natürlich auch Worte, die Neues nicht auf kreative Weise neu bezeichnen, sondern die nur dazu dienen, cool zu klingen und das Gemeinte hinter sprachlichen Nebelkerzen verschwinden zu lassen. Der Journalist Hermann Ehmann hat solche Angeber- und Verdunklungsfloskeln gesammelt und kommentiert in seinem Buch „Läuft!“ (Beck, 9,95 Euro). Wer also wissen will, um welche miesen Tricks es geht, wenn die Kollegen im Büro plötzlich von Active Sourcing, von Bandwidth oder vom Syncen reden, der sollte dringend bei Ehmann nachschlagen.