Meisterbeleidiger Marx
Heute in Buch&Bar: Über das Vergnügen an superscharfen Sachen beim Lesen und Trinken
Kürzlich, als ich in herrlicher Sommer-Abendsonne über Berlins Torstraße ging, fiel mein Blick in einem der Schaufenster auf eine Flasche Marx-Gin mit der vollbärtigen Karl Marx-Ikone auf den Etikett. Ich mochte beides und suchte seither nach einem passenden und aktuellen Marx-Buch, um den Gin hier in der Kolumne unterbringen zu können.
Gefunden habe ich „Marx & Engels intim“ (IMH-Service, 9,95 Euro). Die Herausgeber Björn und Simon Akstinat haben in dem Taschenbüchlein bemerkenswerte Ausschnitte aus dem Briefwechsel zwischen Marx und Engels zusammengestellt. Ich beschränke mich hier mit meinen Zitaten ausschließlich auf Marx’ erstaunliche Freude an Beleidigungen: Engels’ Vater nennt er brieflich einen „Schweinehund“. Von einem frisch verstorbenen Onkel spricht er dagegen nur als einem „alten Hund“. Ferdinand Lassalle, den Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, bezeichnet er als der „jüdischen Nigger“ oder „wasserpolackischen Juden“. In seiner Funktion als Vorkämpfer der Arbeiterklasse schrieb er : „Komplettere Esel als diese Arbeiter gibt es wohl nicht.“ Von dem Mitgründer der SPD Wilhelm Liebknecht spricht er als „Vieh“ und von dem linken Dichter Ferdinand von Freiligrath als „Scheißkerl“. Über seinen Schwiegersohn Paul Lafargue, dessen Mutter eine kubanische Kreolin war, behauptet Marx, er habe eine „üble Narbe von dem Negerstamm“ habe. Die Pointe, dass Marx ihn außerdem in einem Brief an eine Tochter den „Abkömmling eines Gorillas“ nannte, haben die Herausgeber ausgespart. Darauf einen kräftigen Schluck Marx-Gin. Prost.
2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.