Buch&Bar 108: Philipp Blom “Die Welt aus den Angeln”

Die Philosophie, die aus der Kälte kam

Heute: Über den Fluch des schlechten Wetters beim Lesen und Trinken

Philipp Blom: "Die Welt aus den Angeln". Eine Geschichte der Kleinen Eiszeit von 1570 bis 1700 sowie der Entstehung der modernen Welt, verbunden mit einigen Überlegungen zum Klima der Gegenwart. Hanser Verlag. 24 Euro.

Übrigens: Das Mittelalter hatte gutes Wetter. Im Schnitt war es in Europa zwei bis drei Grad wärmer als heute, schreibt der Historiker Philipp Blom. Das hat die Leute fröhlich, aber auch ein wenig faul gemacht. Auf den Feldern wuchs und gedieh alles, warum sich also Sorgen machen?

Doch dann sanken die Temperaturen rapide um fast fünf Grad und damit ging dem Spätmittelalter der Hintern auf Grundeis: Missernten, Hungersnöte, Bauernaufstände. Plötzlich war, so Bloms Buchtitel, „Die Welt aus den Angeln“ (Hanser, 24 Euro). Und er zeigt, wie die Klimakrise die Gesellschaften förmlich umkrempelte, in Glaubenszweifel stürzte, zu Hexenjagden aufstachelte, aber auch Zuflucht suchen ließ bei mehr Wissenschaft, Technik, Aufklärung. Viel von dem, was heute unser modernes Denken ausmacht, ist unter den tiefen Schneedecken des endlos langen Winters von 1570 bis 1700 gesprossen.

Zugegeben, es ist ein bisschen merkwürdig, so ein frostiges Buch ausgerechnet jetzt zu lesen, wenn im Frühlingslicht die Krokusse blühen. Aber es lohnt sich, Blom ist ein saukluger Weltgeschichts-und-Witterungskenner. Ein paar warme Worte zum heutigen Klimawandel liefert er außerdem gleich mit. Nach denen kann man einen steifen Drink gut vertragen, zum Beispiel den Cocktail-Klassiker „Damn the Weather“ mit 3 cl Gin, 1,5 cl Orangensaft und je 1 cl süßen Wermuth und Triple Sec. Und Eis.

 

2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.

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