Buch&Bar 70: Eric Ambler “Die Maske des Dimitrios”

Ein Glas voll Tränen des Dichters

Heute über: Angst vor großen Portionen beim Lesen und Trinken

Eric Ambler: "Die Maske des Dimitrios". RomN. Übersetzung: Matthias Fienbork. Hoffman und Campe, 22 Euro

Der Thriller-Autor Eric Ambler (1909-1998) ist ein ernstes Problem für mich. Ich habe alle seine Bücher und habe sie alle gelesen. Doch sobald ich in einem davon blättere und die ersten Absätze lese, kann ich nicht mehr aufhören, bevor ich die letzte Seite erreicht habe. Kürzlich schickte mir der freundliche Verlag eine Neuausgabe zu von Amblers Klassiker „Die Maske des Dimitrios“ (Hoffmann und Campe, 22 Euro). Wie nett von denen, dachte ich, schlug das Ding auf und fand mich am nächsten Morgen übernächtigt und unrasiert in meinem Lesesessel wieder, den Schlusssatz vor Augen.

Schon klar, in Thrillern von heute werden ganze Städte oder Staaten ausradiert. Bei Ambler ist das Morden noch Handarbeit. Sein Dimitrios ist ebenso clever wie brutal, ein Mann ohne moralische Kategorien, dessen Geld- und Machtgier keine Grenzen kennt. Amblers Roman erschien 1939 wenige Tage bevor Hitler, dessen moralische Grundsätze denen des Dimitrios zum Verwechseln ähnlich sahen, aus Machtgier den Zweiten Weltkrieg vom Zaun riss. Selten hat ein Buch die finstere Atmosphäre seiner Zeit so genau eingefangen wie dieses.

Als ich Ambler einmal in London traf, vergnügte er sich mit einem großen Glas Whiskey pur, ohne Eis. Er bot mir das gleiche an. Ich fürchtete nach so einer Portion dem Gespräch mit ihm nicht mehr gewachsen zu sein und wählte Tee. Dafür erhebe ich heute ein kleines Glas irischen Whiskey „Writer’s Tears Copper Pot“ auf ihn, würzig und doch mild. Natürlich pur, ohne Eis.

 

2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.

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