Buch&Bar 61: Konrad Ott “Zuwanderung und Moral”

Der Philosoph mitten in der Flüchtlingskrise

Heute: Über endlos heikle Fragen beim Lesen und Trinken

Konrad Ott: "Zuwanderung und Moral". Essay. Reclam Verlag. 6 Euro

Wenn es den einen gut geht, den anderen aber schlecht, ist das eine Ungleichheit. Ist es aber immer auch eine Ungerechtigkeit? Heikle Frage.

Wenn es den einen, Kriegsflüchtlingen zum Beispiel, sehr schlecht geht, den anderen aber viel besser, dann müssen die Glücksverwöhnten den Pechverfolgten helfen. Das ist eine moralische Verpflichtung. Aber: Gibt es vernünftige Grenzen dieser Pflicht? Muss sich der Glückliche ruinieren, also selbst in eine Art Unglück stürzen, um möglichst allen Unglücklichen beizustehen? Ist Moral also als eine Pflicht zu verstehen, das Unglück möglichst gleichmäßig zu verteilten? Wäre dass denn gerecht? Noch heiklere Frage.

Konrad Ott ist Philosoph in Kiel und hat mit „Zuwanderung und Moral (Reclam, 6 Euro) mitten in der Flüchtlingskrise einen kühlen, klaren, klugen Essay geschrieben, der zentrale Krisenfragen durchleuchtet. Mit überraschenden Ergebnissen: Wer strikt moralisch vorgeht, landet erstaunlich schnell bei erstaunlich bösen Resultaten. Doch wer der Moral politisch vernünftige Grenzen zu setzen versucht, gerät bei fast jeder Detail-Entscheidung in erstaunlich böse Abwägungsprobleme. Also endlos heikle Fragen. Fast so schwierig wie das Leben selbst.

Ein solcher Essay, obwohl überraschend leicht lesbar, ist letztlich keine Bar-Lektüre. Sorry. Ott plaudert nicht, er argumentiert Punkt für Punkt hoch konzentriert. Dazu passt keinen Drink, sondern Tee, Kaffee, Espresso, Energy Shots oder was immer hellwach und aufmerksam macht. Aber es lohnt sich.

 

2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.

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