Was fehlt Ihnen, um richtig cool zu sein?
Heute über 1:87 – maßstabsgerechtes Lesen und Trinken
Klar, Essen ist auch wichtig. Aber in dieser Kurz-Kolume BUCH & BAR geht es nur um Lesen und Trinken. Warum? Weil beides, in richtiger Qualität und Dosierung, einen kostbaren Fingerbreit über die klägliche Wirklichkeit hinausheben kann.
Am 12. Dezember konnte, wer Lust hat, Frank Sinatras 100. Geburtstag feiern. Solange er seine Geburtstage noch selbst feierte, galt Ol’ Blue Eyes als König der Coolness. Mit Krawatte auf Halbmast, Hipster-Hütchen und lockerer Hand am Whiskey-Glas brachte er sein Zuhörer dazu, ekstatisch ihre Brillantringe gegeneinanderzuschlagen, um klatschende Geräusche zu erzeugen.
Im Jubiläums-Buch „Sinatra 100“ (Edel, 39,95 Euro) ist er auf cirka einer Million Fotos zu sehen. Doch nur eins davon zeigt ihn mit Buch. Das hat er offenbar heiß geliebt: Er umarmt es und presst es fest an seine Brust. Es ist ein Buch über Modelleisenbahnen. Sofort startete ein Film in meinen Kopf: Frankie Boy am Trafo mit Schaffnermütze und Trillerpfeife. Noch heute tragen die Hipster in Berlin so kleine Hütchen wie Frank und die Krawatten auf Halbmast. Aber nie höre ich sie über Märklin oder Roco reden. Ahnen die überhaupt, was ihnen fehlt, um endlich Sinatra-cool zu sein? Weder e-Zigaretten noch e-Mobile, sondern E-Loks mit Spurweite H0.
In seinem Glas sah Sinatra am liebsten vier Eiswürfel, zwei Fingerbreit Jack Daniel’s und ein Spritzer Wasser: „This is a gentlemen’s drink.“ Für meinen Geschmack enthält das Rezept einen Hauch zu viel Product Placement. Deshalb: Versuchen Sie es auch mal mit George Dickel No.12 – auch er wird, wie bei Tennessee-Whiskey üblich, durch Holzkohle gefiltert, ist aber vielleicht noch etwas vanillemilder als Jack Daniel’s.
Die Kolumne erschien im Focus vom 14. November 2015. 2014 startete BUCH & BAR im Focus. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.