Gerüttelt, nicht geschnürt
Heute über: Spitzenmathematisches Lesen und Trinken
Klar, Essen ist auch wichtig. Aber in dieser Kurz-Kolume BUCH & BAR geht es nur um Lesen und Trinken. Warum? Weil beides, in richtiger Qualität und Dosierung, einen kostbaren Fingerbreit über die klägliche Wirklichkeit hinausheben kann.
Das Unterhaltsamste am Fußball sind natürlich die Statistiken. Wie viele Tore erzielten in dieser Saison rechtsgescheitelten Linksverteidiger 2007 per Hacke? So was will ich wissen! Oder: Wurde in Pokalspielen je ein 0:3 Rückstand aufgeholt mit Spielmachern der Schuhgröße 42 oder kleiner? Absolut spielentscheidende Fragen.
Katherine Bebo macht in ihrer meisterhaften Studie „Bond Cocktails“ (Knesebeck, 9,95 Euro) diese Methode für die kulturwissenschaftliche Forschung nutzbar. Wussten Sie, dass James Bond allein in Ian Flemings Buch „Man lebt nur zweimal“ insgesamt über 225 Alkoholeinheiten kippt, was circa 113 Wodka Martinis entspricht? Dass er 70 Zigaretten pro Roman-Tag raucht? Und in den Bond-Filmen rund 1300 Akteure ins Jenseits befördert werden? Davon 135 vom Meister persönlich! Mrs Bebo weiß es und mischt ihre eminenten Erkenntnisse gefühlvoll unter die Rezepte all der von Bond jemals geschlürften Cocktails.
Mein Lieblings-Bond-Drink wird von 007 in „Casino Royal“ persönlich kreiert: „Drei Teile Gordon’s, ein Teil Wodka, ein halber Teil Kina Lillet. Schütteln Sie es gut durch, bis es eiskalt ist, und fügen Sie dann ein großes dünnes Stück Zitronenschale hinzu. Verstanden?“ Und er tauft ihn Vesper, nach der hinreißenden Vesper Lynd, mit der er in diesem Roman dann noch so manches andere vermischt.
Die Kolumne erschien im Focus vom 7. November 2015. 2014 startete BUCH & BAR im Focus. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.
Cool vielen Dank für den Beitrag! Die Casino Royal Version werd ich gleich nächste Wochenende mal probieren.
CHEERZ
Liebe/rJonesPond, Dank für Ihre Reaktion.
Leider habe ich inzwischen festgestellt, dass Kina Lillet, der für “Vesper” notwendig ist, nicht mehr hergestellt wird und kaum noch lieferbar ist. Zu schade. Über die schöne und wohlinformietre Website Trinklaune.de bin ich aber zu einer Ersatz-Empfehlung gekommen: Cocchi Americano. Dort heißt es unter anderem: “Cocchi Americano, einen ein Jahr lang gelagerten Chinarindenwein aus Moscato d’Asti in Italien, der dort seit 1891 hergestellt wird. Der Vergleich mit einer gut gelagerten Flasche Kina Lillet zeigte frappierende Übereinstimmungen.” Der sorgfältig gemachte Bericht über Kina Lillet-Ersatz ist unter folgendem Link zu finden: http://trinklaune.de/2011/08/29/daniel-klingenbrunn-wider-das-vergessen-von-quinquina-%E2%80%93-cocchi-americano-2/
Eine mögliche Einkaufsmöglichkeit von Cocchi Americano im Netz (Für rund 22 Euro pro Flasche) wird bei Trinklaune.de auch genannt: http://www.bardealer.de/cocchi-aperitivo-americano-weinaperitif.html
Ich habe Cocchi Americano selbst noch nicht getrunken, kann also persönlich nichts über die Ähnlichkeit zu Kina Lillet sagen, aber Trinklaune.de ist meines Erachtens kompetent und glaubwürdig.
Herzlich Uwe Wittstock