Wenn sich Körper in Ekstase winden
Heute über: Jim Holt und die Geschichte und Philosophie des Witzes
Mit Witzen ist nicht zu spaßen. Es sind kleinste Geschichten mit größter Macht. Sie verwandeln Gesichter in Grimassen, lassen Körper ekstatisch zucken und entlocken den Kehlen Salven explosionsartiger Laute. Keine andere literarische Gattung hat so plötzliche, massive Wirkung. Und niemand kennt den Grund dafür.
Auch nicht der Amerikaner Jim Holt, der in dem Buch „Kennen Sie den schon?“ (Rowohlt, 12 Euro) die Geschichte des Witzes auf handlichen 130 Seiten zusammenfasst. Er hat sie alle gelesen, die Theoretiker des Komischen, von Platon bis Kant, von Sigmund Freud bis Henri Bergson. Aber jeder Versuch zu erklären, was das Witzige am Witz ist, wirkt, als wolle man Schmetterlinge mit Bulldozern fangen.
Zur Entschädigung erzähle ich Ihnen meinen Lieblingswitz: Eine Frau stellt ihrem Mann die Albtraumfrage: „Fällt dir etwas an mir auf?“
„Natürlich“, antwortet er ängstlich, „du hast neue Schuhe?“
„Nein, Liebling“, sagt sie.
„Du warst“, ruft er schweißüberströmt, „beim Friseur?“
„Auch nicht, Liebling, sagt sie.
„Ich hab’s“, schreit er in Panik, „du hast abgenommen!“
„Nein, Liebling“, sagt sie, „ich trage eine Gasmaske.“
Eine gute Pointe befreit, so kommt es mir vor, für eine herrliche Sekunde von aller Erdenschwere und bringt die Dinge zum Fliegen. Selbst ein Cocktail wie „Flying“, gemixt aus Gin, Triple Sec, Zitronensaft und Sekt, kann dieses federleichte Gefühl nicht ersetzen. Doch besser als gar nichts ist er schon.
Die Kolumne erschien im Focus vom 26. September 2015. Klar, Essen ist auch wichtig. Aber in dieser Kurz-Kolume BUCH & BAR geht es nur um Lesen und Trinken. Warum? Weil beides, in richtiger Qualität und Dosierung, einen kostbaren Fingerbreit über die klägliche Wirklichkeit hinausheben kann. 2014 startete BUCH & BAR im Focus. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.