Buch & Bar (31): Paula Hawkins “Girl on the Train”

Das Leben ist auch keine Strandmatte

Klar, Essen ist auch wichtig. Aber in dieser Kurz-Kolume BUCH & BAR geht es nur um Lesen und Trinken. Warum? Weil beides, in richtiger Qualität und Dosierung, einen kostbaren Fingerbreit über die klägliche Wirklichkeit hinausheben kann.

Heute: Über erinnerungslückenloses Lesen und Trinken

Eine superpeinliche Folge von zu viel Alkohol ist die Gedächtnislücke, der Filmriss. Nur die Krimiautoren sind davon komplett begeistert. Sie lieben diese verkaterte Zeugen, die den Kommissar anknurren: „Sorry, Herr Wachtmeister, ich war voll, totaler Black-out, null Ahnung, was gestern passiert ist.“ Später dann tauchen aus ihrem Schnapshirn natürlich doch wieder Erinnerungssplitter auf, grad so, wie’s der Autor für seine Geschichte braucht. Sehr praktisch.

Paula Hawkins: "Girl on the Train". Aus dem Englischen übersetzt von Christoph Göhler. Blanvalet Verlag, München 2015. 12,99 Euro

Genau diesem Rezept folgt die britische Krimiautorin Paula Hawkins in „Girl on the Train“ (Blanvalet, 12,99 EURO), dem Strandmatten-Hit dieses Sommers. Ihre Heldin Rachel ist eine sagenhafte Nervensäge, wehleidig, verlogen und ständig besoffen. Sie hat alles gesehen, was es braucht, um den Mord aufzuklären, weiß aber suffbedingt nichts mehr, und der Mörder verlässt sich brav auf ihre Erinnerungslücke. Bis Rachel im richtigen Moment das entscheidende Detail aus ihren torkelnden Synapsen dann doch entgegenpurzelt. Wenn’s doch mal im Leben so wäre. An so was glaubt nur, wer sich auf der Strandmatte in der Sonne aalt.

Rachel trinkt Gin Tonic aus der Dose. Widerliches Zeug, ich hab’s probiert. Der Drink zum Buch sollte, mit Rachel als abschreckendem Beispiel vor Augen, ohne Alkohol auskommen. Ein Apricot Fizz zum Beispiel: 6 cl Aprikosensaft (kein Nektar!), 1 cl Orangensaft, 1 cl Zitronensaft mit Eis im Shaker schütteln, dann mit Soda auffüllen. Verleiht der Zeit auf der Matte einen fruchtig-paradiesischen Touch.

Die Kolumne erschien im Focus vom 1. August 2015. 
2014 startete meine Kurz-Kolumne Buch & Bar im Focus. Sie ist schon deshalb unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.
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