Buch & Bar 24: Christoph Schröder: “Ich pfeife”

Der schöne Starrsinn der Amateure

Klar, Essen ist auch wichtig. Aber in dieser Kurz-Kolume BUCH & BAR geht es nur um Lesen und Trinken. Warum? Weil beides, in richtiger Qualität und Dosierung, einen kostbaren Fingerbreit über die klägliche Wirklichkeit hinausheben kann.

Heute: Über lehrnstuhlbehagliches Lesen und Trinken

Christoph Schröder: "Ich pfeife! Aus dem Leben eines Amateurschiedsrichters". Tropen Verlag 2015. 16,95 Euro

Stellen Sie sich vor, Sie sind Fußball-Schiedsrichter und der Ball friert während des Spiels an der Latte fest. Was nun? Wie geht’s jetzt laut Regelheft weiter? Oder: Sie haben schon angepfiffen, der Ball rollt, aber der Tormann eines Teams steht noch gar nicht auf dem Platz. Oder: Beim Durchzählen merken Sie, eine Mannschaft ist mit zwölf Mann im Einsatz. Oder: Ein Trainer beginnt an der Ersatzbank einen Zuschauer zu würgen? Alles schon dagewesen. Was tun Sie?

Christoph Schröder ist Literaturkritiker und seit 27 Jahren Schiedsrichter. Wir kennen und duzen uns, aber über Fußball habe ich mit ihm noch nie gesprochen. Nur über Literatur. Ein Fehler! Denn sein Buch „Ich pfeife (Tropen Verlag, 16,95 €) über seine Abenteuer als Amateurschiedsrichter ist hinreißend: nicht nur klug, sondern lebensklug, nicht nur lustig, sondern lebenslustig. Er liebt das Spiel, aber er schreibt darüber ganz ohne Verbissenheit und Fanatismus. Stattdessen beschreibt er herrliche Amateurverein-Typen, die so starrsinnig sind, Zeit und Arbeit in ihren Club zu investieren, nur weil Fußball ihnen Spaß macht. Und die oben genannten Fragen beantwortet er noch außerdem.

Nach dem Fußball etwas anderes zu trinken als Bier, ist in stilistischer Hinsicht ein Wagnis. Mir käme es jedenfalls ein wenig prätentiös vor, wenn der Linksaußen sein Kopfball-Tor in der Schlussminute nach dem Spiel mit einem Lafite Rothschild 1973 feierte. Und Bier ist keineswegs nur was dumpfe Rumgröler. Auch Thomas Mann trank zum Abendbrot sein Helles. Und lobte, was es ihm verschaffte: „Ruhe, Abspannung und Lehnstuhlbehagen.“ Also genau das, was man nach einem hektischen Spiel braucht.

Die Kolumne erschien im Focus vom 13. Juni 2015. 
2014 startete meine Kurz-Kolumne Buch & Bar im Focus. Sie ist schon deshalb unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.

 

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