Vom Leeren der Gläser mit Gin und Verstand
Klar, Essen ist auch wichtig. Aber in dieser Kurz-Kolume BUCH & BAR geht es nur um Lesen und Trinken. Warum? Weil beides, in richtiger Qualität und Dosierung, einen kostbaren Fingerbreit über die klägliche Wirklichkeit hinausheben kann.
Heute: Über unzimperlich kluges Lesen und Trinken
Schrill ist schön – das dürfte die Devise der britischen TV-Moderatorin Cleo Rocos sein. Tatsächlich sagt sie, tut sie und trägt sie Sachen vor der Kamera, die mir als Liebhaber
schwerstsensibler Dichtung die Haare derart zinnsoldatenmäßig zu Berge stehen lassen, wie Cleo Rocos sie sich für manche ihrer Auftritte frisiert, fixiert bzw. festbetoniert.
Doch ihr Buch Der gepflegte Rausch. Stilvoll trinken ohne Reue (Rowohlt Verlag, 12 Euro) ist vernünftig, um nicht zu sagen: klug. Seite um Seite zeugt es von der Schluck um Schluck hart erarbeiteten Weisheit, dass es beim formvollendeten Leeren alkoholhaltiger Gläser nur darum gehen kann, „mit größtmöglichem Genuss zu trinken – aber mit minimalem Schaden für Körper, Portemonnaie und die eigene Würde“. Die präzisen Ratschläge, die sie zu eben diesem Zweck erteilt, sind kompetent, unzimperlich und geben außerdem Antwort auf so brennende Fragen unserer Zeit wie: Was ist ein perfekter Martini? Kann man gegen Jack Nicholson im Kopfstandwettbewerb gewinnen? Und dabei gleichzeitig einen Cocktail trinken? Gibt es einen legendären Abend ohne harte Sachen? Wie kleidet sich die Frau von Welt zum Wodka?
Apropos Wodka: Cleo Rocos schätzt unter anderem die Marke Russian Standard. Ich habe mal einen fabel-, wenn nicht gar zauberhaften Abend in der Berliner Bar „Kvartira No. 62“ in Gesellschaft gleich mehrerer Russian Standards verbracht und kann bestätigen, was Mrs. Rocos behauptet: klar, köstlich, kopfschmerzfrei.
Die Kolumne erschien im Focus vom 18. April 2015. 2014 startete meine Kurz-Kolumne Buch & Bar im Focus. Sie ist schon deshalb unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.