Buch & Bar (12): Rainer Moritz “Wer hat den schlechtesten Sex?”

Wenn die Körper läuten wie Kathedralen

Klar, Essen ist auch wichtig. Aber in dieser Kurz-Kolume BUCH & BAR geht es nur um Lesen und Trinken. Warum? Weil beides, in richtiger Qualität und Dosierung, einen kostbaren Fingerbreit über die klägliche Wirklichkeit hinausheben kann.

Heute: Über fabelhaft sinnbefreites Lesen und Trinken

Body-Talk. Was zwei Körper sich zu sagen haben, wenn sie unter einer Decke stecken, kann betörend sein und unvergesslich. Doch diesen Dialog der Leiber in annähernd so betörende Worte zu übersetzen, zählt zu den heikelsten Aufgaben der Weltliteratur. Selbst meisterhafte Dichter scheitern erstaunlich oft daran. Das Problem ist alt und über die Gründe wird gern spekuliert.

Rainer Moritz: "Wer hat den schlechtesten Sex? Eine literarische Stellensuche". DVA, München 2015. 17,99 Euro

Rainer Moritz spekuliert kräftig mit in seinem ebenso klugen wie komischen Buch „Wer hat den schlechtesten Sex?“. Für Heiterkeit sorgen vor allem natürlich die Zitate missratener Sex-Passagen namhafter Autoren. Etwa diese wunderbar sinnfreien „wie“-Vergleiche beim literarischen Liebesspiel: „Sie umhüllte ihn wie warmer Moornebel.“ Oder: „Dann brach mein Körper wie eine Kathedrale in Geläut aus.“ Oder: „Die Stille war überall, und er kam wie ein trinkendes Pferd.“ Willkür und Wahnsinn reichen sich hier traulich die Hände.

„Beer drinkers make better lovers“, sagt der britische Volksmund. Ich habe meine Lieblingsärztin, mit der ich angenehmerweise verheiratet bin, gefragt, was von dieser Behauptung aus medizinischer Sicht zu halten ist. Ihre Antwort war eindeutig und nicht zitierfähig. Dennoch scheint mir ein Glas Bier, oder besser noch: scheinen mir zwei, drei Gläser davon, die ideale Ergänzung zu diesem Buch zu sein. Denn Bier entspannt und macht das Urteil milder. Schriftsteller, die sich an Sex wagen – im literarischen Sinne natürlich – , werden dafür dankbar sein.

Die Kolumne erschien im Focus vom 14. März 2015. 
2014 startete meine Kurz-Kolumne Buch & Bar im Focus. Sie ist schon deshalb unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.
Dieser Beitrag wurde unter Buch & Bar, Über Bücher abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>