Buch & Bar (11): F. Scott Fitzgerald “Der große Gatsby”

Offen scheitern oder heimlich siegen

Klar, Essen ist auch wichtig. Aber in dieser Kurz-Kolume BUCH & BAR geht es nur um Lesen und Trinken. Warum? Weil beides, in richtiger Qualität und Dosierung, einen kostbaren Fingerbreit über die klägliche Wirklichkeit hinausheben kann.

Heute: Über zauberhaft beflügelndes Lesen und Trinken

Manche Romane drohen regelrecht hinter ihrem eigenen Ruhm zu verschwinden. Sie sind dermaßen bekannt, dass es gar nicht mehr nötig erscheint, sie zu lesen. Der große Gatsby (Diogenes, 9,90 Euro) wurde schon fünf(!)mal verfilmt, inzwischen glaubt jeder genau zu wissen, worum es geht: leichte Feste, rauschende Mädchen und Leo DiCaprio mit Gel im Haar. Ist auch völlig richtig so, aber eben nicht das ganze Vergnügen.

F. Scott Fitzgerald: "Der große Gatsby". Übersetzt von Bettina Abarbanell. Dogenes Verlag, Zürich 2012. 9,90 Euro

F. Scott Fitzgerald, den die nicht immer verständnisvolle Nachwelt F. „Scotch“ Fitzgerald taufte, hat seiner Geschichte eine leichtfüßige und bissige Ironie verliehen, die einen beim Lesen beflügelt wie ein guter Drink. Klar, am Schluss scheitert die romantische Sehnsucht des Liebhabers Gatsby naturgemäß an den rauen Klippen einer komplett banalen Realität. Ist ja immer so. Aber die zauberhaft schwebende Ironie Fitzgeralds scheitert eben nicht. Sie ist bis heute frisch und jung im Buch eingefangen und also eine heimliche Siegerin, denn neben ihr sieht die banale Realität ganz schön alt aus.

In der DiCaprio-Verfilmung balancieren alle immerzu wohlgefüllte Champagnerkelche, ich weiß. Aber im Roman trinken sie Highballs gegen den Durst. Denn im Gatsby-Sommer 1922 ist es tropisch heiß. Der klassische Highball besteht aus Scotch und Soda: erst Eis in ein schlankes Glas, dann Whisky drüber und mindestens die doppelte Menge Soda hinterher. Umrühren braucht man nicht, das besorgen die Soda-Bläschen. Ein Toast auf „Thirsty“ Fitzgerald – wie ihn seine Mitwelt nannte.

Die Kolumne erschien im Focus vom 7. März 2015. 
2014 startete meine Kurz-Kolumne Buch & Bar im Focus. Sie ist schon deshalb unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.
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