Buch & Bar: Honoré Balzac

Balzac ist nicht nur ein Coffee-Shop!

Klar, Essen ist auch wichtig. Aber in dieser Kurz-Kolume BUCH & BAR geht es nur um Lesen und Trinken. Warum? Weil beides, in richtiger Qualität und Dosierung, einen kostbaren Fingerbreit über die klägliche Wirklichkeit hinausheben kann.

Heute: Zart melancholisches Lesen und Trinken

Kürzlich traf ich einen Kollegen beim Wein. Er machte einen seelisch leicht zerzausten Eindruck. Gerade eben noch hatte er im Untersuchungsausschuss mitangehört, wie brachial der Ex-Abgeordnete Sebastian Edathy den befreundeten und ihm lange hilfreichen Noch-Abgeordneten Michael Hartmann derart in die Pfanne haute, dass es im ganzen Land widerhallte. „Ihr habt’s gut, ihr aus der Kultur“, sagte der Kollege, „diese Politik, dieses Berlin . . .“, schüttelte den Kopf und murmelte was von „Schlangengrube“.

Honore Balzac: "Verlorene Illusionen". Übersetzt von Melanie Walz. Hanser Verlag, München. 39,90 Euro

„Du solltest“, empfahl ich ihm, „mal Balzacs Verlorene Illusionen lesen.“ Okay, der Roman ist rund 180 Jahre alt, wurde aber jetzt glänzend neu übersetzt von Melanie Walz (Hanser, 39,90 Euro): Lucien, ein junger Poet, kommt aus dem kleinen Angouléme ins große Paris. Der Kulturbetrieb dort dreht ihn ruckzuck durch den Wolf, bis er vom schwärmerischen Idealisten zum brutalen Zyniker mutiert. „Verglichen damit ist Berlin ein Kloster und Edathy Moraltheologe“, sagte ich. „Und das Beste an dem Buch: Nichts von dem, was Balzac beschreibt, hat sich geändert. Der Roman liest sich wie ein Live-Bericht aus dem Kulturzirkus von heute.“

Der Kollege schaute skeptisch. Aber dann suchte er uns einen wunderbar geschmeidigen Rotwein aus, um seine Melancholie zu ertränken: eine Flasche Domaine du Grollet (www.valmour.de/pflegeprodukte/rotweininfine,566). Denn der kommt aus der Charente bei Angouléme, der Heimat Luciens, wo es sonst eigentlich nur Weißwein, Pineau oder Cognac gibt.

Diese Kolumne erschien im Focus vom 3. Januar 2014.
Im Dezember 2014 startete meine Kurz-Kolumne Buch & Bar im Focus. Sie ist schon deshalb unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.
Dieser Beitrag wurde unter Buch & Bar abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>