Die beste Paranoia, die derzeit zu haben ist
Über verschwörungsfrohes Lesen und Trinken
Seit dem 22. Dezember 2014 erscheint eine kurze wöchentliche Kolumne von mir im Focus. Sie ist schon deshalb unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.
Klar, Essen ist auch wichtig. Aber hier soll es nur um Lesen und Trinken gehen. Warum? Weil beides, in richtiger Qualität und Dosierung, einen Fingerbreit über die klägliche Wirklichkeit hinausheben kann.
Das derzeit Schärfste auf dem Romanmarkt ist für mich Bleeding Edge (Rowohlt, 29,95 Euro) von Thomas Pynchon: ein Feuerwerk sarkastischer Dialoge und Pointen, an dem die Klassiker der Hardboiled-Krimis ihre helle Freude hätten. Pynchons Heldin Maxine ist private Betrugsermittlerin, Jüdin, geschieden, hat zwei Kinder und eine Beretta. Die braucht sie auch, als sie 2001 in New York dem Treiben eines miesen IT-Investors nachspürt. Weshalb schmuggelt er Geld in den Nahen Osten? Warum beschäftigt er arabische Programmierer? Als dann zwei Flugzeuge das World Trade Center einäschern, stochert Maxine in den Trümmern nach Antworten.
Pynchon ist der König, ach was sage ich: der Kaiser der literarischen Paranoia, sein Roman ein Labyrinth der Verschwörungstheorien. Maxine trinkt Zima, um sich in diesem Irrgarten Mut zu machen. 2001 war das ein Alcopop-Hit in den USA, heute ist er noch bei Molson Coors in Japan zu kriegen (http://zima.jp/). Mit einem Schuss Wodka heißt er Zimartini: Ich hebe mein Glas auf Seine Majestät, Thomas Pynchon den Großen.
Erschien im Focus vom 22. Dezember 2014