Wir können mehr als nur Kalsarikännit !
Buch&Bar heute: Über das zarte Gefühl von hüzün in jüngster Zeit beim Lesen und Trinken
Die Norweger sind ein glückliches Volk. Nicht nur, dass sie auf Platz 1 der „World Happiness“-Rangliste der UN stehen. Nein, sie verfügen außerdem noch über den absolut beneidenswerten Begriff Utepils für ein am ersten heißen Tag des Jahres im Freien getrunkenes Bier. Gibt es Schöneres als Utepils?
David Tripolina hat 333 solcher exquisiten Vokabeln, die nur in einer Sprache existieren, in dem Buch „Einzigartige Wörter“ versammelt (Riva, 9,99 Euro). Manches davon haut einen echt um: Die Türken (!) zum Beispiel kennen einen Ausdruck für das düstere Gefühl, wenn politisch alles den Bach runtergeht: hüzün. Mein Gott, was fühle ich mich hüzün in letzter Zeit. Wir alle sollten jetzt mehr tun als nur: hahn (Koreanisch: geduldiges Warten auf Besserung). Und trotz aller Melancholie angesichts der Nachrichten aus dem Weißen Haus, der Türkei oder der Führungsetage von München 1860 auf Kalsarikännit verzichten (Finnisch: Sich zu Hause in der Unterhose betrinken und keine Anstalten machen, das Haus zu verlassen). Mal ganz zu schweigen von Gratrunka (Schwedisch: Masturbieren, während man sehr traurig ist).
Sobald es jetzt wirklich warm wird, rate ich dringend zu Utepils. Doch falls mitten im Sommer wieder der Dauerregen einsetzen sollte, empfehle ich beim Kalsarikännit zu einem guten Single Malt wie Glen Scotia 16 years old von der schottischen Westküste. Erstens ist der Regen gewohnt und zweitens sehr umami (Japanisch: würzig im Geschmack). Und er bewirkt dieses herrliche Sgriob (Gälisch: Der zarte Juckreiz auf der Unterlippe, bevor man einen Schluck Whisky nimmt).
2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.