Der Wille zur Jacht
Heute: Über herrlich dekadentes Lesen und Trinken
Für jeden, der sich beruflich verändern und gern mal Oligarch werden möchte, hat Wolfgang Kemp das perfekte Lehrbuch geschrieben: „Der Oligarch“ (zu Klampen, 18 Euro). Der kluge Essay zählt penibel auf, was dazu unabdingbar ist: „Das sündig teure Penthouse in London, der Fußballclub, die extravagante Geliebte und die alle Rekorde brechende Abfindung für die Ex-Ehefrau.“ Hinzu kommt, ganz wichtig, eine gigantische Jacht mit James-Bond-reifen Gadgets: irre schnell, mit eigenem SWAT-Team, Helikopter und Mini-U-Boot, Panzerglas, Flugabwehrraketen. Toll.
Das alles wäre lustig, müsste Kemp nicht auf eine Faustregel hinweisen, die sich während der oligarchenproduzierenden Zeit der Privatisierung der Sowjetwirtschaft herauskristallisierte: pro 100.000 Dollar Gewinn 1 Toter. Allein 1994 wurden in Russland 36.000 Morde registriert. Bleibt als kleiner Trost, dass für einen Oligarchen hundsmiserabler Geschmack unerlässlich ist: Er muss in gold-, kristall- und marmorüberladenen Interiors dahinvegetieren, als wäre Donald Trump sein Innenarchitekt.
Für jeden, der so etwas mag, gibt es naturgemäß auch den passenden Cocktail: der Oligarch Caviar Martini. Man bereitet ihn zu wie jeder andere Martini auch, die übliche Olive wird allerdings durch einen Löffel Kaviar ersetzt. Ob das schmeckt? Keine Ahnung. Ich habe noch keinen Barkeeper gefunden, der bereit gewesen wäre, das zu mixen.
2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.