Geht der Sommer, kommt der Kummer
Heute: Über die Gefahren der Natur beim Lesen und Trinken
Das Schlimmste, was regelmäßig über uns Deutsche hereinbricht, ist das Ende des Sommers. Okay, zugegeben, Kai Pflaume ist auch schlimm, kommt viel öfter und macht genauso melancholisch. Aber vom Fernsehen erwartet man nichts Besseres. Vom Wetter schon. Die herrlich hohen Himmel des Sommers! Die dünnen Hemden! Die kurzen Röcke! Die lauen Abende vor der Victoria Bar!
Da ist es wichtig, dass es Dichter gibt, die uns an Schattenseiten des Sommers erinnern. Thomas Gsella ist, wenn’s um komische Gedichte geht, der Stellvertreter Robert Gernhardts auf Erden. Über eine der Sommerplagen schreibt er im neuen Band „Saukopf Natur“ (Kunstmann, 16 Euro):
Am Abend fliegt die Mücke
Zu uns ins warme Licht
Und reißt die Nacht in Stücke,
Denn schlafen lässt sie nicht.
Sie weiß sie zu versauen.
Man kommt sich wehrlos vor.
Wir liegen wach und hauen
Uns fest auf Stirn und Ohr.
Damit hat er natürlich recht und auch mit seinem Zorn auf die Naturvernarrtheit der Deutschen: „Gibt es überhaupt Leiden, gibt es Sorgen und Nöte, für die die Natur nichts kann? Die Antwort lautet: Nö.“ Die Natur nimmt uns den Sommer und gibt uns Kai Pflaume. Anderes Beispiel: Sie gibt uns Wacholderbeeren, bitter, leicht giftig. Erst mit enormem, Natur überwindenden Intelligenz- und Arbeitsaufwand wird ein Gin daraus, den man am Sommerabend vor der Victoria Bar genießen kann. So wie den schottischen Old Raj etwa, blassgolden, mit Safran aus dem Iran, Koriander, Zimt, Nuss. Fabelhaft.
2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.