Buch&Bar 83: John le Carré “Im Taubentunnel”

Alle Agenten lügen, sagt der Agent

Heute: Über den Verlust an Gleichgewicht beim Lesen und Trinken

John le Carré: "Der Taubentunnel. Geschichten aus meinem Leben". Übersetzung: Peter Torberg. Ullstein Verlag, 22 Euro

John le Carré hat ein paar seiner besten Romane über den eiskalten Krieg zwischen britischem Geheimdienst MI6 und seinem sowjetischem Pendent KGB geschrieben. Da er Anfang der sechziger Jahre selbst als Nachwuchsspion in Bonn und Hamburg für den MI6 arbeitete, traf er die paranoide Agenten-Atmosphäre offenbar so gut, dass er sogar unter KGB-Chefs echte Fans fand.

In seinen Erinnerungen „Der Taubentunnel“ (Ullstein, 22 Euro) erzählt le Carré jetzt, wie ihn Jewgeni Primakov, der fünf Jahre lang den russischen Geheimdienst geleitet hatte, in London in die russische Botschaft einlud. Und zwar um Zorn loszuwerden: Iraks Diktator Saddam Hussein sei ein Freund von ihm gewesen und habe angeboten, sich aus dem von ihm besetzten Kuwait zurückzuziehen, um den ersten Golfkrieg gegen die USA und Großbritannien zu vermeiden. Doch George Bush sen. und Margaret Thatcher seien nicht zu stoppen gewesen: „Sie wollten den Krieg.“

Warum, fragt sich le Carré, während Primakow unausgesetzt Wodka mit ihm trinken will, warum erzählt er das mir? Betreibt er Information oder Desinformation? Sofort fühlt er sich zurückversetzt in die Denk-Labyrinthe des Kalten Kriegs: „Nichts, absolut gar nichts ist so, wie es scheint.“ Alles kann Täuschung sein, die Wahrheit wird ungreifbar. Eine Welt des permanenten Schwindels – weshalb, logisch, auch nach diesem Geheimdienst-Boss ein Wodka Primakov benannt wurde, der einen blitzschnell ums Gleichgewicht bringen und in Schwindel stürzen kann.

 

2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.

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