Buch&Bar 76: Ferdinand von Schirach “Terror”

Zwei ältere Herren blamieren sich

 Heute: Über bejahrte und vergessene Liberale beim Lesen und Trinken

Ferdinand von Schirach: "Terror. Ein Theaterstück und eine Rede". Piper Verlag, 16 Euro

Es ist immer wieder erstaunlich, zu welchen Dummheiten sich selbst kluge Leute hinreißen lassen. Jetzt haben die verdienten FDP-Haudegen Burkhard Hirsch und Gerhart Baum in einem Interview gefordert, die ARD solle ihre Verfilmung von Ferdinand von Schirachs Theaterstück „Terror“ (Piper, 16 Euro) nicht ausstrahlen. Oder zumindest eine nachfolgende Diskussionssendung samt Publikumsbeteiligung streichen. Zwei Liberale fordern Zensur. Siehe hier: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ferdinand-von-schirach-terror-baum-hirsch-14364755.html

Das Stück ist sagenhaft erfolgreich und wurde bislang allein in Deutschland an 39 Bühnen gespielt. Es führt eine fiktive Gerichtsverhandlung vor: Ein Bundeswehrpilot hat entgegen seiner Befehle eine Passagiermaschine abgeschossen, die Terroristen in ein vollbesetztes Fußballstadion lenken wollten. Am Ende stimmen die Zuschauer ab über Verurteilung oder Freispruch des Piloten.

Die Argumente von HirschBaum lassen erkennen, dass sie 1. nichts von Literatur verstehen und 2. das Stück kaum kennen. So behauptet Hirsch zum Beispiel, Schirach habe einen wichtigen Punkt übersehen: „Wieso hat der Staat das angeblich bedrohte Stadion nicht räumen lassen?“ – doch diese Frage wird im Stück auf vier Seiten pointiert behandelt. Dennoch wollen HirschBaum auf keinen Fall akzeptieren, dass sich Zuschauer in Theater oder TV mit politisch brisanten Fragen beschäftigen und – probeweise – über sie abstimmen. Sie halten das für skandalös. Siehe auch hier: http://blog.uwe-wittstock.de/?p=1877

Liebe HirschBaum! Demokratie ist, wenn Bürger über Politik informiert werden (wie Schirach es tut), dann diskutieren und abstimmen. Vergessen?

Nachdem ich das Interview gelesen hatte, habe ich mir zur Beruhigung in meiner Lieblingsbar den vergessenen Cocktail-Klassiker „Liberal“ bestellt: 5 cl Rye Whiskey, 2 cl süßer Wermut, 1 cl Amer Torani, 2 Spritzer Orangenbitter. Ein herrlich leichter Drink, der dem Rye Whiskey alle Bitterkeit nimmt. Leider ist dieser „Liberal“ bei Barkeepern ebenso aus der Mode geraten wie offenbar die Liberalität bei Liberalen wie HirschBaum.

 

2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.


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