David Grossman: “Kommt ein Pferd in eine Bar”

Über die Lust an tierisch bösen Pointen

Kleine nachträgliche Überlegung zu David Grossmans fabelhaftem Roman “Kommt ein Pferd in eine Bar”. Man kann viel aus diesem Buch lernen – nicht zuletzt auch manches über die spezielle Bewusstseinslage des komischen Künstlers. Bei der extrem hochtourigen Debatte um Jan Böhmermann und seine satirische Gedicht-Kunst hätte das vielleicht nützlich sein können.

David Grossman: "Kommt ein Pferd in eine Bar". Roman. Übersetzung: Anne Birkenhauer. Hanser Verlag, 19,90 Euro

Im “Literarischen Quartett” vom 29. April hatte ich bereits Gelegenheit, ein paar Gedanken zu David Grossmans großartigem neuen Roman auszubreiten. (Die Sendung ist in der ZDF Mediathek zu finden unter: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/sendung-verpasst#/beitrag/video/2727238/Das-Literarische-Quartett-vom-2904.2016

Hier möchte ich gern eine zusätzliche Überlegung hinterherschicken.

Es gibt viele Künstlerromane, also Romane, in denen Biographie und berufliche Probleme von Künstlern oder Schriftstellern ausgebreitet werden. Alles in allem ist das ein bei Autoren, aber erstaunlicherweise auch bei Lesern recht beliebtes Genre. Viel selten aber gibt es ein Romane über den Werdegang und die Arbeit von dezidiert komischen Künstlern. Zu denen aber zählt der Held Dovele Grinstein in Grossmans Roman.

Das soll nicht so klingen, als wären Künstler und Künstler mit den besonderen Talent für Komisches zwei grundsätzlich unterschiedliche Naturen. Im Gegenteil. Dennoch gibt es naturgemäß ein paar Spezifika, die den einen Künstler eher ins komische Fach treiben, den anderen eher ins tragische oder elegische. Grossman beschreibt in seinem Roman aus meiner Sicht sehr glaubwürdig die Voraussetzungen, unter denen seine Hauptfigur ihre besonderen komischen Talente entwickelt: und diese Talente zielen keineswegs auf einen sanftmütig heitern sondern auf einen aggressiven, provozierenden, Verletzungen in Kauf nehmenden Witz.

In den ersten drei Aprilwochen wurde hierzulande exzessiv über den aggressiven Witz von Jan Böhmermanns debattiert.  Ob sein Erdoğan-Gedicht nötig / klug / von der Kunstfreiheit gedeckt / noch der Satire zuzurechnen / eine Beleidigung / menschenverachtend / volksverhetztend u.v.a.m. gewesen sei. (Inzwischen werden wieder andere Themen durchs Debattendorf getrieben. Wenn ich alles richtig mitgekriegt habe, ist derzeit die Rente dran. Oder ist die auch schon wieder vorbei?)

Während ich Grossmans Roman über Kindheit und Jugend des Standup-Comedian Dovele Grinstein las, über seinen Zorn auf die Welt und auf nicht wenige Menschen, glaubte ich, die Quelle von Böhmermans komischer und/oder polemischer Energie mit einem Mal genauer verstehen zu können. Großen Einfluss auf die juristischen Bewertung seines Erdoğan-Gedicht hat das zwar nicht, aber Böhmermanns Lust an der Provokation, an die Zuspitzung von Widersprüchen und ausgeprägter Bissigkeit von Pointen wurden mir verständlicher.

Oliver Maria Schmitt: "Anarchoshnitzel schieen sie. Ein Punk-Roman für die besseren Kreise". Rowohlt Verlag. eBook. 8,49 Euro

Kurz: Ich möchte den Roman dem literaturempfänglichen Teil des Publikum nicht nur deshalb ans Herz legen, weil es schicht ein großartiger Roman ist. Sondern auch, weil man hier meines Erachtens eine Menge lernen kann über die Antriebe, Motive und Ziele der komischen Kunst. Als Nachtrag zur Böhmermann-Debatte ist das in meinen Augen sehr reizvoll.

Gestern hatte ich Gelegenheit mit Oliver Maria Schmitt, Ex-Chefredakteur der Titanic und Autor einiger zauberhaft böser komischer Romane (“Anarchoshnitzel schreen sie”und Sammelbände, ein paar Minuten über Grossmans neuen Roman zu sprechen. Ich bat ihn, sich das Buch anzuschauen und meinen Eindruck zu überprüfen. Er gehört zweifellos zu den Leuten, die etwas von scharfer Komik und aggressivem Witz verstehen. Ich bin gespannt.

 

 

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