Und jetzt: Das neue Biedermeier
Heute: Über rundum super unbedenkliches Lesen und Trinken
Kürzlich war ich in einer mittelfinsteren Gegend Berlins unterwegs. Ein endfinsterer Kerl trat auf mich zu und bot tödliche Substanzen an: „Willsu Crack?“ Ich war überrascht, denn, seien wir ehrlich, bald bin ich in einem Alter, in dem man mir allenfalls Interesse an Kukident zutraut, nicht an Drogen, wie sie unsere Bundestagsabgeordneten täglich brauchen. Ich gab dem Kerl geschmeichelt die Hand, dankte für sein warmherziges Kompliment und ging beglückt meiner Wege
So viel zum Zynismus der Großstadt. Das Leben auf dem Land soll angeblich harmloser sein. Nachzulesen ist das jetzt im Roman „Der Pfau“ von Isabel Bogdan (Kiepenheuer & Witsch, 18,99 Euro). Fünf Londoner Banker verbringen ein paar Tage auf einem schottischen Landsitz. Einer der landsitzeigenen Pfauen verliert den Verstand, wird vom Landsitzbesitzer – heimlich – erschossen, von den Bankern – heimlich – gefunden, von deren Köchin – heimlich – gekocht und dann von allen unheimlich genussvoll verspeist. Wie schön.
Nichts gegen heitere Romane, aber diesen hier bejubelte der halbe deutsche Literaturbetrieb schon wochenlang vor seinem Erscheinen als großen Wurf. Erstaunlich. Kann es sein, dass wir uns alle derzeit – heimlich – nach Beschaulichkeit, Idylle und lösbaren Problemen sehnen? Das jedenfalls bietet „Der Pfau“. Ein Roman wie selbst gemachte Limonade: solide, unzynisch, ein bisschen süß, ein bisschen sauer und rundum unbedenklich.
2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.
Sehr wahr. Danke.