Hochzeit auf die harte Tour
Heute: Über heiratsnachdenkliches Lesen und Trinken
Zugegeben, ich habe mir bislang wenig Gedanken gemacht über das Volk der AbaGusii in Westkenia. Ein Riesenfehler. Das wurde mir klar, als ich jetzt das Buch „Für immer und jetzt“ von Michaela Vieser und Irmela Schautz (Verlag Antje Kunstmann, 18 Euro) las über allerlei exotische und mitunter herrlich unhygienische Liebesrituale der unterschiedlichsten Kulturen und Kontinente.
Denn die AbaGusii sind ein weises Volk. Wenn bei ihnen ein Paar heiraten will, versuchen das die Familien sowohl der Braut als auch des Bräutigams nach Kräften zu verhindern. Sie verzögern die nötigen Zeremonien, beschimpfen den künftigen Schwiegersohn bzw. die Schwiegertochter, ja sie lassen ein Kind mit einem Stock nach der Braut schlagen, wenn sie das Haus des Bräutigams zu erreichen versucht. Hat die Liebe der beiden alle Prüfungen tapfer bestanden, drängt sich in den ersten drei Ehenächten noch ein Mädchen im Bett zwischen sie. Erst dann lässt man sie in Ruhe.
Wir hier bei uns feiern lieber Traumhochzeiten. Alles soll sein wie im Liebesmärchen. Dummerweise müssen wir deshalb die weniger märchenhaften Anteile des Lebens auf den Ehealltag danach verschieben. Ich halte das für keinen klugen Schachzug: Das himmlische Getue zuvor kann dann später leicht wie ein falsches Versprechen wirken. Die AbaGusii dagegen lernen von Anfang an, um ihre Liebe zu kämpfen. Das dürfte deren Bedeutung auf der Werteskala der Liebenden steigern. Und die Scheidungsrate senken – wer will sich unter solchen Voraussetzungen schon der Gefahr einer zweiten Hochzeit aussetzen? Ein Sprichwort der AbaGusii lautet übrigens: „Die, die du heiratest, sind die, mit denen du streitest.“ Wie gesagt, ein weises Volk.
Ich möchte auf sie anstoßen mit dem Cocktailklassiker Margarita. Er bringt die Haltung der AbaGusii zur Heirat symbolisch auf den Punkt: Erst kommt der fiese Salzrand, dann der leckere Limettensaft (1 Teil), der süße Orangenlikör (1 Teil) und der sauscharfe Tequila (2 Teile). Aber nehmen Sie um Gottes willen einen guten alten Tequila, sonst ist am nächsten Morgen – wie nach manchen Hochzeiten – der Katzenjammer groß.
2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.