Der Fälscher, der Fälschungen fälscht
Klar, Essen ist auch wichtig. Aber in dieser Kurz-Kolume BUCH & BAR geht es nur um Lesen und Trinken. Warum? Weil beides, in richtiger Qualität und Dosierung, einen kostbaren Fingerbreit über die klägliche Wirklichkeit hinausheben kann.
Heute: Über goldrichtiges Lesen und Trinken
Experten behaupten, 30 bis 50 Prozent der Bilder auf dem Kunstmarkt seien gefälscht. Manche sprechen sogar von 60 Prozent. Das ist unschön für Kunstsammler, zugegeben. Doch da ich keiner bin, sondern begabte Geschichtenerfinder liebe, kann und will ich meine Sympathie für virtuose Hochstapler, Schwindler oder Bärenaufbinder nicht verleugnen.
Von solchen moralisch zweifelhaften Gefühlen ist der Kunsthistoriker Henry Keazor, der das gewichtige Buch „Täuschend echt!“ (Theiss Verlag, 24,95 Euro) über Kunstfälschungen geschrieben hat, komplett frei. Aber auch er erzählt betörend schöne Fälschergeschichten. Etwa die von Elmyr de Hory, der in der Nachkriegszeit alles fälschte, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Orson Welles drehte einen Film über ihn und machte Hory so berühmt, dass seine inzwischen enttarnten Fälschungen ausgestellt, bewundert und teuer verkauft werden. Also machten sich nach Horys Tod andere Fälscher daran, seine Fälscherhandschrift zu fälschen und ihre schwachen Kopien als echte Hory-Fälschungen zu verscherbeln.
Zu diesem herrlichen Streich gratuliere ich und hebe anerkennend mein Glas mit einem Falschen Mojito. Er wird mit Limette, Minze, Rohrzucker, Crushed Ice und Ginger Ale, aber ohne Rum serviert. An den heißen Sommertagen, auf die wir – hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich – zusteuern, ist er gar nicht falsch, sondern goldrichtig und eine fabelhafte Erfrischung.
Die Kolumne erschien im Focus vom 9. Mai 2015. 2014 startete meine Kurz-Kolumne Buch & Bar im Focus. Sie ist schon deshalb unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.