Angst vorm Fliegen?
Angst vorm Landen!
Klar, Essen ist auch wichtig. Aber in dieser Kurz-Kolume BUCH & BAR geht es nur um Lesen und Trinken. Warum? Weil beides, in richtiger Qualität und Dosierung, einen kostbaren Fingerbreit über die klägliche Wirklichkeit hinausheben kann.
Heute: Über Lieben und Landen und Lesen und Trinken
Jeder Ballonfahrer, der mit seinem Gefährt aufsteigt, muss auch wieder landen. So einfach ist das. Jeder, der liebt, wird irgendwann das Ende seiner Liebe erleben. Eine sanfte Landung kann niemand garantieren. Je höher man sich aufschwingt, desto unwahrscheinlicher wird sie. So einfach ist das.
Ein seltsames, tieftrauriges kleines Buch: „Lebensstufen“ (Kiepenheuer & Witsch, 16,99 Euro). Der Brite Julian Barnes erzählt vom Ballonfahren und vom Lieben. Beides lässt sich kaum steuern, beides bleibt unberechenbaren Kräften ausgeliefert. Warum sehnen sich dennoch so viele Menschen danach? Julian Barnes war 30 Jahre verheiratet, seine Frau Pat, zugleich seine Literaturagentin, starb 2008. Zwischen der Diagnose ihrer Krankheit und ihrem Tod lagen 37 Tage. Barnes hat sie gezählt. Was er aus der Welt berichtet, die danach kam, ist nicht schön: „Leid dreht einem den Magen um, raubt einem den Atem, schneidet die Blutzufuhr zum Gehirn ab.“ Von Trost ist nirgendwo die Rede, wer danach sucht, ist in diesem Buch falsch.
Lily Bollinger, die legendäre Chefin des Champagner-Hauses Bollinger, soll einmal gesagt haben: „Ich trinke Champagner, wenn ich froh bin und wenn ich traurig bin.“ Nach einer Lesung in einer Buchhandlung bekam ich kürzlich als Honorar eine Flasche Bollinger Champagner geschenkt. Als ich Barnes’ schmales Buch ausgelesen hatte und zumachte, machte ich sie auf. Auch Champagner ist kein Trost, zugegeben. Aber er ist eine Möglichkeit zu feiern, was wir haben. Solange wir es haben.
Die Kolumne erschien im Focus vom 14. Februar 2015. 2014 startete meine Kurz-Kolumne Buch & Bar im Focus. Sie ist schon deshalb unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.