E.L. James antwortet nicht

“Bitte keine Fragen, die Sadomasochismus focussieren!”

Die neue britische Star-Autorin E.L.James schreibt in ihrer Trilogie 50 Shades of Grey über ein ungleiches Liebespaar, deren sexuelle Leidenschaft SM und Bondage gilt. Und sie ist rasend erfolgreich damit: Ihre drei Romane stehen an der Spitze sämtliche Bestsellerlisten – in Deutschland bei Amazon sogar bevor das Buch überhaupt ausgeliefert worden ist. Doch Fragen zu SM darf man der Autorin nicht stellen, wie ich feststellen musste. Wieviel Heuchelei und Verklemmtheit steckt in dem angeblichen Tabubruch der drei Bücher?

E.L.James: "Shades of Grey. Geheimes Verlangen" Erscheint am 9. Juli im Goldmann Verlag

Der Goldmann Verlag war vergangene Woche so freundlich, mir ein Email-Interview mit der britischen Erfolgsautoren E.L.James anzubieten. Ihre Trilogie 50 Shades of Grey ist sagenhaft erfolgreich in den Vereinigten Staaten: Seit April wurden die drei Bücher dort 15 Millionen mal verkauft (einschließlich der eBook-Verkäufe). Goldmann wird den ersten Band Geheimes Verlangen am 9. Juli in einer Auflage von 500.000 Exemplaren in Deutschland ausliefern. Bei Amazon.de steht er bereits seit dem 20. Juni auf Platz 1 der Bestsellerliste – soviele Vorbestellungen für das Buch sind bereits eingegangen. (Seit gestern ist es, so viel ich weiß, bei Amazon als eBook auf deutsch erhältlich.)

Auch wenn ich skeptisch bin, was die literarischen Qualitäten der Bücher angeht, wollte ich die Chance, ein Interview mit E.L.James zu führen, gern wahrnehmen. Denn ein solcher Erfolg ist allein schon aus sozialpsychologischen Gründen aufschlussreich: Warum interessieren sich so viele Menschen in so kurzer Zeit für diese Bücher. Bücher die, wie seit Beginn der E.L.James-Success-Story flächendeckend kolportiert wird, von einer Liebesaffäre erzählen zwischen einer Studentin und einem supersupererfolgreichen Geschäftsmann mit Neigung zu Bondage und sadomasochistischem Sex. In USA wird die Trilogie als “Mommy Porn” angepriesen und die Autorin charakterisiert sie selbst im Gespräch mit ABC News als “a love story with kink”. Das klingt gepflegt, ist aber deutlich genug: Es ist eine Liebesgeschichte mit besonderen sexuellen Zutaten.

Was liegt näher, als im Interview nach diesen Zutaten zu fragen – um zu erkunden, ob es eben diese Zutaten sind, die den überwältigenden Erfolg auslösen. Ich schickte also die folgenden sechs Fragen an den Goldmann Verlag, der sie an den Agenten von E.L. James weiterreichte:

1.) Do the sex scenes in your books describe your fantasies or your experiences?
2.) Did “Fifty Shades of Grey” spice up your own sex life?
3.) Is the enormous success of your book an indication that millions of women have sadomasochistic fantasies?
4.) Can a woman be submissive in bed but a tough feminist in everyday life?
5.) Would you advise a woman to realize her masochistic fantasies? And would you advice a man to realize his sadistic fantasies?
6.) What is the role of dominance and submissiveness in love? And how important is dominance and submissiveness in sex?

Knapp einen Tag später antwortet die Agentur von E.L.James, “dass die Fragen zu wenig auf das Buch bezogen sind und zu sehr das Thema Sadomasochismus fokussieren” und baten mich, ihr “neue Fragen zu schicken”. Ich antwortete, dass ich wenig davon halte, wenn sich der Befragte die Fragen aussucht, die man ihm stellen solle. Und bat erneut um Antworten auf meine Fragen. Doch die kamen nicht.

Schon merkwürdig: Wo immer die Bücher von E.L.James angeboten werden, ist mit erregten Unterton in der Stimme von SM- und Fesselspielen die Rede, mit denen die Hauptfiguren ihre Freizeit verbringen. Doch sobald man sich bei der Autorin nach diesem Thema erkundigt, sind die Fragen “zu wenig auf das Buch bezogen”. Kann es sein, dass hier eine Menge Heuchelei im Spiel ist? Dass hier mit lächerlicher Verklemmtheit ein Tabubruch vorgetäuscht werden soll? Und ist vielleicht gerade in dieser Heuchelei und Verklemmtheit ein Grund für den großen Erfolg der Bücher zu finden?

Dieser Beitrag wurde unter Personen abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten auf E.L. James antwortet nicht

  1. Nun, es ist einfach eine Fanfic, die die Dame geschrieben hat. Und sie sagte auch in einem Interview, dass sie nur einmal in einem Etablissement war, um es sich “in echt” anzusehen. Alles andere wurde recherchiert… über das Internet.
    Es ist keine hohe Literatur, es ist eine Fanfiction wie sie leibt und lebt (Wiederholungen, simple Sprache, Klischees) und war denk ich nicht dafür gemacht in aller Öffentlichkeit besprochen, beworben und zerrissen zu werden. Das merkt man ja auch bei den Fragen.
    “Häh, ich hab ne Geschichte geschrieben und jetzt soll ich Fragen außerhalb der Geschichte beantworten? Vor allem noch so private? Was hat das denn mit meiner Geschichte zu tun?” könnte ihr wohl durch den Kopf gehen.

    • Uwe Wittstock sagt:

      Die drei Bücher sind ja nicht gegen den Willen von ELJames als ganz normale Bücher verlegt worden. Doch wer Bücher publiziert, darf sich nicht wundern, wenn sie auch rezensiert werden. Die persönliche Frage, ob ihr SM-Interesse auch ihr eigenes Sex-Leben bereichert hat, wurde von ihr für amerikanische Medien bereitwillig beantwortet (nein, hat es nicht), aber für deutsche Leser will sie darauf nicht antworten. Die anderen 5 Fragen sind nicht persönlicher, sondern allgemein-menschlicher Natur.

  2. Kitty Ka sagt:

    Wahrscheinlich kennt sich die Dame mit BDSM gar nicht richtig aus. Haben Sie dieses … äh … Buch mal gelesen? Lauter schlecht formulierte Klischees. Ich habe Bekannte, die sich in der BDSM-Szene bewegen. Als neugieriges Menschlein habe ich den beiden viele Fragen stellen dürfen, die auch offen und vor allem kompetent beantwortet wurden. Nur weil einer gefesselt daliegt und von einem anderen mit einer Gerte verdroschen wird, muss es noch lange keine richtige SM-Praktik sein.
    Was mich viel eher wundert? Warum regt sich die Literaturwelt über das propagierte Frauenbild und nicht über das mangelhafte Formulierungsgeschick auf? Ich habe selten ein Buch mit derart eingeschränktem Wortschatz gelesen! Und warum wurde für die deutsche Übersetzung eigentlich die 50 im Titel weggelassen?

Hinterlasse einen Kommentar zu Rebekka Kirsch Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>