Buch&Bar 69: David Grossmann “Kommt ein Pferd in die Bar”

Das verletzte Lachen über die Gesunden

 Heute über:  Lustvoll beleidigendes Lesen und Trinken

David Grossman: "Kommt ein Pferd in die Bar". Übersetzung: Anne Birkenhauer. Hanser Verlag, 19,90 Euro

Bei Buch & Bar war bislang noch nicht von Jan Böhmermann die Rede. Diese peinliche Lücke der deutschen Presselandschaft kann ich jetzt schließen, nachdem ich Ayran probiert habe. Das ist der Joghurt-Drink, den Erdogan zum türkischen „Nationalgetränk“ erhoben hat. Er schmeckt wie leicht gesalzene Dickmilch. Ich mochte ihn – und das ist gut für mich. Denn die Eisteefirma Caykur fand Ayran zum Einschlafen und wurde von Erdogans Handelsministerium prompt wegen Beleidigung bestraft. Merke: Redest du von Erdogan, / dann ruf schon mal den Anwalt an.

Zugegeben, manche Witze der Böhmermänner dieser Welt zeugen eher von Zorn als von Geschmack. In dem Roman „Kommt ein Pferd in die Bar“ lässt David Grossman (Hanser Verlag, 19,90 Euro) so einen wutschnaubenden Comedian auftreten und einen Abend lang von seinem Leben erzählen. Seine Pointen sind bissig, blutig, böse oder, wie die Kanzlerin wohl sagen würde, bewusst verletzend. Aber diese Wut hat ihre Gründe. Das Leben ist nämlich oft auch ziemlich bissig, blutig, böse. Und die Leute, denen das nie was ausmacht, weil sie mit allem prächtig zurechtkommen, ja sogar Präsidenten, Machthaber, Diktatoren werden findet Grossmans Comedian schlichtweg zum Kotzen. Mir leuchtet das ein, und ich glaube, aus Grossmans Buch etwas über des Seelenleben von Satirikern des Böhmermann-Kalibers gelernt zu haben, was anderweitig nicht zu lesen war. Ein fabelhafter Roman ist es außerdem.

 

2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das,  worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.

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