Gespräch mit einer bescheuerten Birke
Heute: Über über echt superspirituelles Lesen und Trinken
Zora del Buono ist zu einigen der ältesten Bäumen der Welt gereist, hat sie fotografiert, Reportagen über sie geschrieben und ein Buch daraus gemacht: „Das Leben der Mächtigen“ (Matthes & Seitz, 32 Euro). Manche der Bäume sind über 3000 Jahre alt. Eine Zitterpappel in Utah bringt es auf 80 000 Jahre! Ihnen zu begegnen soll eine tiefe spirituelle Erfahrung sein.
Ich zeigte das Buch der Birke in unserem Garten, sie war sofort sauer.
Birke: „Spirituell? Meine Fresse.“
Ich: „Warum nicht? Manche umarmen Bäume, schlafen zu ihren Füßen.“
Birke: „Füße? Siehst du hier Füße? Wehe, du fängst an, mich zu begrapschen. Finger weg! Nimm sie weg!“
Ich: „Du bist doch nur neidisch, weil du nicht 1000 Jahre alt wirst.“
Birke: „Du erst recht nicht! Von so einem gefühlsduseligen Vollpfosten wie dir muss ich mich gießen lassen. Holzkopf, dämlicher.“
Ich: „Hey, pass auf, was du sagst! Ich verheiz’ dich im Kamin.“
Birke: „Aha, das also ist deine spirituelle Tiefe! Von Uraltpappeln schwärmen, aber Durchschnittsbirken mit der Kettensäge drohen.“
Zur Versöhnung haben wir einen Wodka White Birch getrunken, einen durch und durch russischen Wodka mit englischem Namen, dem Birkensaft zugesetzt wird. Schmeckt seidig weich, ein wenig nach Sahne. „Birkensaft ist“, knarrte die Birke, “übrigens auch gut gegen Haarausfall. Von hier oben sieht’s aus, als hättest du’s bald nötig.“ Dieser Drecksbaum, dieser unspirituelle.
2014 startete BUCH & BAR. Die Kolumne ist schon deshalb absolut unverzichtbar, weil sie dem weltbewegenden Zusammenhang zwischen Lieblingsbegleiter BUCH und Lieblingsaufenthaltsort BAR nachgeht, zwischen Geschriebenem und Getrunkenem, zwischen der Beschwingtheit, in die manche Dichter ebenso wie manche Drinks versetzen können. Also haargenau das, worauf jeder überzeugte Büchersäufer immer schon gewartet hat – weshalb ich die Kolumnen hier gern frisch auf die Theke meines Blogs serviere.