Ein Gentleman mordet vor der Hochzeit
Heute: Über die heilige Pflicht zu lesen und zu trinken
„Die rechte Grundlage für eine Ehe“, schrieb Oscar Wilde, „ist gegenseitiges Missverstehen.“
Der Reiz von Missverständnissen wird ja stark unterschätzt. Dabei sind sie ungeheuer fantasieanregend. Ich spreche gern mit Leuten, von deren Sprache ich keinen blassen Schimmer habe. Selten hört man so genau hin und versucht noch die versteckteste Regungen des anderen zu entschlüsseln. Gibt es Besseres für eine Ehe?
Auch der Titelheld in Oscar Wildes Erzählung „Lord Arthur Saviles Verbrechen“ (edition Faust, 18 Euro) wäre mit Missverstehen besser bedient gewesen als mit Verstehen. Ein Mann, der ihm die Zukunft aus der Hand lesen soll, erbleicht plötzlich und stottert statt einer Erklärung nur Belanglosigkeiten. Lord Arthur will das nicht hinnehmen, sondern alles wissen – und erfährt schließlich, er werde einen Mord begehen.
Natürlich ist Lord Arthur ein Gentleman und möchte seiner Verlobten nicht zumuten, dass ihr zukünftiger Mann beim Morden geschnappt werden könnte. Also sieht er es als heilige Pflicht an, das blutige Geschäft noch rasch vor der Hochzeit zu erledigen, um dann beruhigt in den Ehehafen einlaufen zu können. Und Tante Clementina ist doch eh schon so alt…
Der Dandy Oscar Wilde sah es als heiligste Pflicht an, es sich so gut gehen zu lassen wie irgend möglich. Also brach er Champagner-Flaschen das Genick, wann, wo und wie oft er nur konnte. Selbst vor Gericht ließ er sie sich angeblich während der Verhandlung servieren. Verbürgt ist seine Antwort auf die Frage des gegnerischen Anwalts, ob er in einer verfänglichen Situation Champagner getrunken habe: „Eisgekühlter Champagner ist mein Lieblingsgetränk – strikt gegen die Anordnungen meines Arztes.“ Als er völlig verarmt mit nur 46 starb, hob er das Champagnerglas und hinterließ der Welt den Satz: „Ich sterbe wie ich gelebt habe: über meine Verhältnisse.“
wunderbar. lakonisch. pointiert. treffend.
Danke!