“Die Dankbarkeit ist ungeheuer”
Ohne Organspende wäre der Schriftsteller David Wagner, 43, heute tot. Von Kindheit an litt er an einer schweren Lebererkrankung, die ihm nur eine Überlebenschance ließ: die Transplantation eines Ersatzorgans. Über diese Erfahrung schrieb er das Buch „Leben“, einen klugen, niemals wehleidigen, oft sogar komischen Erlebnisbericht. Er wurde mit dem „Preis der Leipziger Buchmesse 2013“ ausgezeichnet und stand lange auf den Bestsellerlisten.
Uwe Wittstock: Herr Wagner, wie fühlen Sie sich heute mit einer fremden Leber?
David Wagner:Das ist keine fremde Leber, es ist jetzt meine. Es war nicht immer meine, aber sie ist jetzt bei mir. Sicher, diese Leber hat mir das Leben gerettet, aber ohne mich wäre auch sie jetzt tot. Sie wäre mit dem Spender gestorben. Ich könnte nicht damit leben, diese Leber als etwas Fremdes zu betrachten, als das Fremde in mir. Tatsächlich ändert sich ja der Zellaufbau einer Leber mit den Jahren, alte Zellen werden durch neue ersetzt. Mein Körper hat diese Leber also auch im medizinischen Sinne inzwischen zum
Großteil zu seiner gemacht.
Wittstock: Was dachten Sie, als die Nachricht kam, es gebe eine Leber für Sie?
David Wagner: Ich war sehr, sehr aufgeregt. Die Nachricht kommt ja unvermittelt, so etwas kommt wohl immer unvermittelt. Mit dem Anruf ist aber auch klar: Jetzt geht es um Leben und Tod. Es wird etwas Lebensnotwendiges aus dem Körper herausgeschnitten und ersetzt. Wenn diese Operation nicht gelingt oder wenn das neue Organ seine Aufgaben nicht erfüllt, ist es aus.
Wittstock: Sie haben einmal abgelehnt, als -Ihnen eine rettende Leber angeboten wurde.
David Wagner: Da ging es mir wohl noch nicht schlecht genug. Ich hatte Angst. Mir geht es heute sehr gut. Aber es ist auch möglich, dass es einem nach der Transplantation noch schlechter geht als zuvor. Die Entscheidung für eine Transplantation ist also nie leicht.
Wittstock: Haben Sie trotz der Skandale Vertrauen zur Vergabepraxis bei Organspenden?
David Wagner: Ich habe großes Vertrauen. Hinter den Skandalen steht ein politisches Problem. Es gibt einerseits zu wenige Spenderorgane und andererseits in Deutschland viel zu viele kleine Transplantationszentren. In diesen Zentren werden nur selten Organe verpflanzt. Das hat einzelne Ärzte dazu verführt, Patienten als dringende Notfälle auszugeben, die nicht so krank waren. Es wäre Aufgabe der Politik, erstens für leistungsfähige Transplantationszentren zu sorgen und zweitens die Organspende mit nationalen Gesetzen klar zu regeln, wie es in Frankreich und Spanien der Fall ist.
Wittstock: Wie stehen Sie zu Menschen, die Organspende verweigern?
David Wagner: Das ist ihr gutes Recht. Absolut verständlich. Andererseits lebe ich mit der ungeheuren Dankbarkeit – und Dankbarkeit ist ein viel zu kleines Wort – dafür, dass sich jemand entschieden hat, seine Organe zu spenden. Oder dass Angehörige die bewundernswerte Entscheidung getroffen haben, der Organspende zuzustimmen.
Wittstock: Was würden Sie zu einem Menschen sagen, der überlegt, sich als potenzieller Organspender registrieren zu lassen oder nicht?
David Wagner: Er sollte sich vorstellen, dass sein Kind oder ein anderer sehr geliebter Mensch nur weiterleben kann, falls er ein neues Herz, eine neue Leber bekommen kann.
Wittstock: Haben Sie einen Organspenderausweis?
David Wagner: Selbstverständlich.
Wittstock: Denken Sie manchmal an den Menschen, dem Sie Ihre Leber verdanken?
David Wagner: Täglich. Mein Buch ist in gewisser Hinsicht nichts anderes als eine literarische Gedenktafel für diesen Menschen.
Dieser Bericht sagt doch alles!
… “ohne mich wäre auch sie jetzt tod.”
auf http://www.meinetransplantation.at/ habe ich viel über Transplantationen gelesen und mich damit etwas näher beschäftigt.
so viele Menschen sind gegen Organspende. was ich nicht verstehen kann. und dieser Artikel zeigt wiedermal, dass Spenden leben bedeutet.
die Leber, Niere, Lunge etc wäre mit der Person gestorben, obwohl im gleichen Land , oder vielleicht in einem anderen, jemand auf genau dieses eine Organ wartet, um unbeschwert weiter leben zu können!
ich hoffe, mehr Menschen wird es bewusst, wie wichtig es ist, einen Organspendeausweis zu besitzen und bewusst werden zu lassen, was sie ermöglichen können, durch Organspende!
ich freue mich für David Wagner, dass die Transplantation gut verlaufen ist.