Internet-Buchhandel knickt vor Juristen ein

“Wir nehmen den Titel raus”

Das Schwarzbuch WWF von Wilfried Huismann wurde von vielen Buchversendern aus ihrem Angebot gestrichen. Obwohl kein Urteil gegen das Buch vorliegt, zogen Internet-Buchhändler das Buch aus dem Verkehr, nachdem sie Briefe der Anwälte des WWF bekommen hatten. Sie gehen so einen bequemen Weg – und geben die Literatur- bzw. Meinungsfreiheit preis. Leider ist der Vorgang kein Einzelfall

Die Literatur- und Meinungsfreiheit werden vom Grundgesetz garantiert. Wenn die Buchbranche aber nicht bereit ist, auf diesen Freiheiten auch zu bestehen, werden sie verlorengehen.

Wilfried Huismann: "Schwarzbuch WWF" (Gütersloher Verlagshaus) 19,99 Euro

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung meldet heute: Das Schwarzbuch WWF von Wilfried Huismann ist nach Protesten des World Wildlife Fund in vielen Internet-Buchhandlungen nicht mehr erhältlich. Der Titel wurde am 23. April ausgeliefert, er schildert Organisation und Geschäftsgebaren des WWF in ungünstigem Licht und wird vom WWF deshalb – auch mit juristischen Mitteln – angegriffen.

Ich will die Rechercheergebnisse von Wilfried Huismann zur Arbeit vom WWF nicht verteidigen. Ob sie eine juristischen Überprüfung standhalten oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Fest steht aber, dass das Landgericht Köln erst am 15. Juni über eine einstweilige Verfügung gegen das Buch entscheiden wird (http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/druck-auf-buchhaendler-wwf-draengt-kritisches-buch-vom-markt-11771956.html). Dennoch haben große Buchversender im Internet den Titel bereits aus ihrem Angebot genommen, nachdem sie Briefe der Anwälte vom WWF bekamen.

“Wir bewerten das nicht inhaltlich”, sagt der Geschäftsführer des Buchportals Libri.de Per Dalheimer laut FAS, “wir nehmen den Titel dann raus und warten auf Klärung.” Damit ist das Buch de facto auf dem Buchmarkt schwer erhältlich, obwohl von der Richtern noch gar nicht darüber entschieden wurde, ob die Vorwurfe des WWF gegen die Recherchen von Wilfried Huismann zurecht bestehen oder nicht.

Wer ein Buch als Ware betrachtet, wird die Handlungsweise der Buchhändler, die Huismanns Schwarzbuch aus ihrem Angebot gestrichen haben, verstehen können. Der einzelne Titel macht keinen hohen Umsatz, es ist besser auf ihn zu verzichten, wenn man sich so Ärger mit Anwälten erspart.

Andererseits aber ist ein Buch mehr als nur eine Ware. Buchhandel und Börsenverein betonen, zumal wenn sonntags Reden gehalten werden, immer wieder die eigene Bedeutung für die Meinungsfreiheit  und die kulturelle Vielfalt in unserem Land. Sie tun das sehr zurecht – allerdings müssen sie dann auch bereit sein, sich für diese Werte zu engagieren, wenn diese Werte in Gefahr geraten.

Leider ist der Vorgang um Huismanns Buch kein Einzelfall. Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen Maxim Billers Roman Esra hat in dieser Hinsicht unerfreuliche Folgen. Der Roman wurde 2007 endgültig verboten, weil es die Persönlichkeitsrechte einer Klägerin verletze. Doch das Urteil war so unklar formuliert, dass es keineswegs für Rechtssicherheit bei der schwierigen Abwägung zwischen Literaturfreiheit und Schutz der Persönlichkeitsrechte gesorgt hat.

Inzwischen zeigt sich, dass de Entscheidung im Fall Esra unvorhergesehene Auswirkungen zuungunsten der Literaturfreiheit entwickelt. Allein 2011 mussten drei Romane vom Buchmarkt zurückgezogen werden, weil sie angeblich Persönlichkeitsrechte verletzten und mit juristischen Schritten gegen sie gedroht wurde: nämlich die Romane Das Da-Da-Da-Sein von Maik Brüggemeyer (Aufbau Verlag, Berlin 2011), Last Exit Volksdorf von Tina Uebel (Verlag C.H.Beck, München 2011 und Ein Traum von einem Schiff von Christoph Maria Herbst (Scherz Verlag, Frankfurt/Main 2010. Obwohl das Buch bereits im Dezember 2010 erschien, datiert die einstweilige Verfügung gegen den Roman vom 2. Februar 2011; siehe http://www.boersenblatt.net/412846/.)

Zugegeben, die drei Bücher sind von sehr unterschiedlicher künstlerischer Qualität, aber die Häufung der Fälle belegt, in welchem Maße die Bereitschaft von Privatpersonen zugenommen hat, gegen literarische Werke vorzugehen. „Als Schriftsteller, der über die Gegenwart schreibt, kommt man in Deutschland ohne Anwalt nicht mehr aus“, konstatiert Maik Brüggemeyer.

Doch abgesehen von dem Fall Christoph Maria Herbst wurden die Vorwürfe gegen diese Romane gerichtlich nie überprüft. Allein schon die Ankündigung von Unterlassungserklärungen oder einstweiligen Verfügungen gegen die Bücher reichten aus, Verlage und Autoren dazu zu bewegen, die Romane zurückzuziehen und weitgehend so zu verändern, wie es den Wünschen der möglichen Kläger entspricht. Doch darüber, ob die Romane tatsächlich Persönlichkeitsrechte verletzen, hat in diesen Fällen nie ein Richter oder ein unabhängiges Gericht entschieden.

Auch in diesen Fällen war – wie im Fall Huismann und seinem Schwarzbuch WWF – die Bereitschaft nicht groß, für die Literatur- bzw. Meinungsfreiheit juristisch zu kämpfen.  Dass sich die Beteiligten auf diese Weise viel Arbeit und Ärger ersparen, liegt auf der Hand. Wer will ihnen das in einer notorisch überarbeiteten Branche verdenken. Doch dass sich kostbare Rechtsgüter wie Literatur- und Meinungsfreiheit auf derart konfliktscheue Weise nicht verteidigen lassen, liegt ebenfalls auf der Hand.

Aktuelle Stellungnahmen des Börsenblatts zum Thema Huismann/WWF unter:
http://www.boersenblatt.net/532023/
und

http://www.boersenblatt.net/532000/

Ein bericht darüber, weshalb das Gericht am 15. Juni keine einstweilige Verfügung erließ ist zu finden unter:

http://www.boersenblatt.net/538368/

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Eine Antwort auf Internet-Buchhandel knickt vor Juristen ein

  1. Uwe Wittstock sagt:

    Hallo, sehr geehrter Herr Wittstock – !

    Ich freu mich, dass ich über börsenblatt.net und die Diskussion über das WWF-Buch des Kollegen Huismann – nun zu Ihrem Literatur-Blog gefunden habe!

    Kollege Huismann hat garantiert nichts “erfunden”, wie von einem Leserbrief-Schreiber im börsenblatt.net unterstellt. Ich erinnere ihn als einen der investigativen Journalisten, Hörfunk und Fernsehen, die immer “Schwierigkeiten” kriegen, weil sie es mit der Wahrheits-Findung genau nehmen. Und es reichlich Menschen, Gruppen und Vereinigungen gibt, von Politik und Politikern ganz zu schweigen, die es gar nicht gerne sehen, wenn man ihnen unter die Decke schaut.
    Als ich seinerzeit, vor genau 32 Jahren, eine große Hörfunk-Reportage über die Machenschaften der sogenannten Kaffeefahrten-Gesellschaften machte – 1 Stunde, bei Radio Bremen – brach ein Sturm los. Seitens des Dachverbandes dieser “Veranstalter”. Weil ich ins Schwarze getroffen hatte. Sie wollten von Radio Bremen ad hoc 500.000 DM Schadensersatz. Und von mir, als Autorin, 100.000 DM…Zugleich verlangten sie, dass sie Sendung nicht wiederholt werden dürfe, da sie sonst eine Klage wegen übler Nachrede gegen den Sender anstrengen würden.

    Die damals bei Radio Bremen neugewählte Hörfunk-Programmdirektorin Karola Sommerey, knickte voll ein, ließ die Sendung verschwinden, um kein Geld zu zahlen und um einen Prozess zu vermeiden. Die Sender NDR II und SWF – denen bereits die Sendung von mir ebenfalls angeboten worden war, als Wiederholung, ausschnittweise oder in voller Länge – scherten sich nicht die Bohne um die Drohung. Und sendeten, was sie senden wollten.
    Andere Sender nahmen sich ebenfalls Teile aus der Sendung, ein Insider hatte ausgepackt, ebenfalls hatte ich selbst recherchiert, indem ich mich als willige Mitarbeiterin tarnte, und auch Tageszeitungen griffen damals das Ärgernis-Thema auf.
    So dass es zu jener neuen Gesetzes-Regelung kam, dass die zumeist älteren Menschen, denen Heizdecken und anderes überflüssige und gefährliche Zeug zu weit überhöhten Preisen auf diesen sogenannten “Kaffeefahrten” angedreht worden war, dass diese Käufe innerhalb von 14 Tagen rückgängig gemacht werden konnten.

    Doch statt Glückwünsche von Radio Bremen zu erhalten, hing mir der Ruf nach, ich hätte “unsauber” recherchiert.

    Das hat mich nicht weiter tangiert. Ich hatte zuvor bereits einen betrügerischen Kontakt-Club enttarnt, auch da hatte sich mein damaliger Sender, Radio Bremen, schwer getan, dies zu senden. Erst als dies als große Story bei damals BRIGITTE veröffentlicht worden war, und bei Gruner & Jahr “waschkörbeweise” Resonanz eingetroffen war, wie wahr diese Geschichte sei, wie übel der sogenannte “Level-Club” vorgegangen sei – getraute sich auch Radio Bremen, nun ganz stolz, mich als Autorin nun auch der von ihnen gesendeten Sendung zu präsentieren…

    Der vorauseilende Gehorsam, die vorauseilende Schere im Kopf – Gefahr für uns alle und die Meinungsfreiheit. Da freuen sich die Geschäftemacher…jedweder couleur…

    Danke für den BLOG-Beitrag und dass damit dieser Stein der Diskussion ins Rollen gebracht worden ist.

    Roswitha Schäfer

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